»Sind wir allein im Kosmos?«

Die Delegation (D 1970, Rainer Erler)

Nun habe ich ihn doch noch vor dem angekündigten DVD-Release zu sehen
bekommen und bin begeistert: Erlers wohl durchdachtester Film!


Die Rahmenhandlung bildet ein TV-Politmagazin, in dem es um die
Todesumstände des TV-Reporters Roczinsky (Walter Kohut) geht. Dieser
ist nach einer mysteriösen UFO-Sichtung in die USA aufgebrochen, um
dort aus skeptischer Perspektive die Hintergründe zu recherchieren. Im
Verlauf seiner Arbeit begegnet Roczinsky zahlreichen UFO-Gläubigen,
Vertretern von Regierung und Militär, die ihm plausible machen, dass
seit Jahrzehnten Informationen über authentische Sichtungen zurück
gehalten werden und schließlich Wissenschaftler, die ihm Daten
präsentieren, die die Existenz außerirdischer stichhaltig beweisbar
machen. Als Roczinsky schließlich auf eine Grundschullehrerin trifft,
die behauptet, von Außerirdischen entführt worden zu sein, nachdem sie
diese fotografiert hat und als Beweis ein kleines technisches Artefakt
vorweist, dass sie von ihren Entführern mitbekommen hat, ist es um
Roczinskys Skeptizismus entgültig geschehen. Er weitet seine Recherchen
bis nach Peru aus, verliert schließlich den Vertrag mit dem deutschen
Fernsehen und glaubt, von Geheimpolizei und Militär verfolgt zu werden.
Das Material, dass uns im Verlauf des fiktiven Poltimagazins
präsentiert wird, wird immer mysteriöser, die Rechercheergebnisse
Roczinskys immer obskurer. Zum Ende hin ist aus ihm ein fanatischer
UFO-Gläubiger geworden, der – Erich von Däniken gleich – jedes
unerklärliche Phänomen auf die Präsenz Außerirdischer Lebensformen auf
der Erde zurückführt.

Erlers Film ist ein sehr früher und sehr gelungener Versuch, ein fast
schon fantastisches Sujet durch dokumentarische Techniken zu
authentifzieren. Ein breites Repertoir an Mitteln – vor allem
medialisierender Demedialisierung – nutzt er dazu aus, um durch
Film-im-Film-Strukturen Wahrheiten zu produzieren, die dem Betrachter
so unplausibel nicht mehr zu sein scheinen. Der ständige Wechsel der
ontologischen Ebenen verunsichert zusätzlich über den Wahrheitsgehalt
des Plots – erst aus der historischen Distanz wird das Fake als solches
erkennbar. Der zeitgenössische TV-Zuschauer dürfte beim unvorbereiteten
Zusammestoß mit „Die Delegation“ recht verunsichert gewesen sein.

Die Paranoia und der Zunehmende Hang zu Verschwörungstheorien, die der
Protagonist Roczinsky während seiner Recherchen befällt, verbunden mit
dem Anwachsen des Hangs zum Obskurantismus werden von Erler äußerst
nüchternund im Stil der Nachrichtenberichterstattung jener Zeit 
in Szene gesetzt. Das „Fake“, das „Die Delegation“ darstellt, wird so
nenben der Erörterung medialer Verschwörungstheorien Ebene zu einer
subtilen Studie über die Untiefen des Skeptizismus, der sich leicht
aushebeln lässt, wenn die nüchterne Wissenschaftlichkeit selbst dazu
verwandt wird, unerklärliche Phänomene zu erklären.

Die DVD erscheint in Kürze bei EuroVideo und komplettiert eine Erler-Reihe über die ich in der kommenden Ausgabe von „epd Film“ einen Artikel habe.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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