FFF 2005: sechster Tag

Trauma
Deadly Cargo
Kampfansage – Der letzte Schüler
They came back

Trauma (GB 2004, Marc Evans)

Nach einem Autounfall glaubt Ben, seine Frau verloren zu
haben, weil er im Krankenhaus-TV vom Tod einer populären Sängerin
erfährt, die mit seiner Frau befreundet war und nun beide Geschichten
durcheinander bringt. Damit macht er sich gegenüber der Polizei
verdächtigt, die nun annimmt, er habe etwas mit dem Mord an der
Sängerin zu tun. Marc Evans hat sein Gespür für intime psychologische
Paranoia-Erzählungen bereits bei „My little Eye“ unter Beweis gestellt.
In „Trauma“ überträgt er diese Methode auf die Darstellung einer psychotische Figur.
Heraus kommt dabei ein Film, der die fragmentierte Persönlichkeit
seiner Figur perfekt in Szene setzt und dabei zu keiner Zeit mit seiner
„Pointe“ (dass seine Frau nämlich nicht gestorben ist, sondern ihn
lediglich verlassen hat) kokettiert. Im Gegenteil: Der Zuschauer muss
dies sogar antizipieren, um den Film überhaupt verstehen zu können – um
ein wenig Distanz zu den Bildern (oft in extremen Nah- und Detailaufnahmen) zu gewinnen.

Deadly Cargo (Cámara oscura, Spanien/Mexiko 2003, Pau Freixas)

Spanischer Hochsee-Thriller, in dem sich eine
Gruppe Schiffbrüchiger auf ein Containerschiff rettet, das zuvor von
Piraten gekapert wurde. Der Versuch auf dem Schiff unerkannt bis zum
nächsten Hafen mitzureisen scheitert schon bald und „Deadly Cargo“
opfert eine Figur nach der anderen schonungslos der offenbar geistig
gestörten Schiffsmannschaft. Der Mut, eine solche Erzählung, die sich jeder
Konvention verweigert und bis zum Ende hin in atemlosen Tempo geführt wird,
zu präsentieren, ist bewunderswert. Leider besitzt das Drehbuch
derartig viele logische Brüche und Unwahrscheinlichkeiten, dass der
Film damit deutlich verliert. So bleibt „Deadly Cargo“ am Ende nicht
mehl als ein ambitioniertes Projekt, das keine Chance bekommen
wird/kann, weil es im Kern zu schlampig ausgearbeitet ist.


Kampfansage – Der letzte Schüler
(D 2005, Johannes Jaeger)

Martial Arts aus Deutschland –
das muss a priori peinlich werden. Und Jungregisseur Johannes Jaeger
löst dieses Versprechen auch ein. Die Erzählung seines utopischen Films
ist völlig hanebüchen und ein einziger Vorwand für die (das FFF hat
mitgezählt: 470) Kampfeffekte. Die sind zwar perfekt inszeniert
(besonders die Montage beeindruckt – auch wenn man dem Künstler einmal
mitteilen sollte, dass der Dauer-Einsatz des Highspeed-Shutters eher
für Kopfweh denn für Temposteigerung sorgt), können aber leider nicht
den gesamten Film füllen. Zwischen den Hüpf-Nummern kommt es dann immer
wieder zu Dialog-Szenen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Da
hätte Jaeger lieber noch ein weing mehr von seinen asiatischen
Vorbildern lernen sollen.

They came back (Les Revenants, F 2004, Robin Cmapillo)

Ein tief beeindruckender „Zombie“-Film aus
Frankreich, in dem die Untoten nicht als Monster dargestellt werden,
sondern als die schinbaren Individuen, die gestorben sind und nun zurück in die
Gesellschaft drängen, die damit völlig überfordert ist. Vor diesem
Hintergrund erzählt der Film drei Geschichten von Familien, die mit dem neuerlichen
„Leben“ ihrer jüngst Verstorbenen zurecht kommen müssen. Zu keiner Zeit
gruselig aber hochgradig beunruhigend und in seiner psychologischen
Tiefe verstörend schildert der Film ein soziales und emotionales Drama
von Lieben-Wollen und Nicht(-mehr)-Liebenkönnen. Die ruhige, fast
somnabule Inszenierung sucht wie das intensive und empathische
Schauspiel der Hauptdarsteller ihresgleichen im „Genre“. „They came
back“ ist einer der ungewöhnlichsten Filme, die das französische Kino
in den letzten Jahren hervorgebracht hat und ein wichtiger Beitrag zur
Entwicklung des Untoten-Motivs.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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