Filmkritiker unter Generalverdacht (2)

Und wieder meldet sich der Verband der deutschen Filmkritik
zu Wort – dieses Mal wegen des von Constantin lancierten Vorschlags,
die ohnehin schon völlig absurden Sicherheitsvorkehrungen vor
Pressevorführungen zu standardisieren:

Presse-Erklärung des Verbandes:


Protest gegen massive Arbeitsbehinderungen der freien Presse durch die Filmverleiher

Der
Verband der deutschen Filmkritik protestiert aufs Schärfste gegen die
Aussagen des deutschen Filmverleihs Constantin Film, dass
Sicherheitsvorkehrungen wie die Abgabe von Handys vor
Pressevorführungen zum einheitlichen Standard werden müssen. Bisher ist
in Deutschland – selbst nach Kenntnis der Spitzenorganisation der
Filmwirtschaft (Spio) – noch kein Filmkritiker des Raubkopierens
überführt worden. Die Auffassung, die Sicherheitsvorkehrungen dienten
dazu, einige schwarze Schafe auszusieben, ist in dieser Form nicht
aufrecht zu erhalten. Wenn Constantin-Vorstand Thomas Peter Friedl
gegenüber der Agentur ddp betont, „am Flughafen regt sich auch niemand
auf, dass er kontrolliert wird“, übersieht er, dass
Sicherheitsvorkehrungen auf Flughäfen zum Schutze des Staates und
seiner Bürger erfolgen und keinesfalls mit rein privaten Interessen von
Unternehmen zu vergleichen sind. Friedl rückt damit Filmkritiker ebenso
in die Nähe von Verbrechern, wie dies Hollywood-Verleiher bereits getan
haben, zuletzt vor dem Start des Films „Krieg der Welten“ am 29. Juni.

Dagegen
wehrt sich der Verband der deutschen Filmkritik. Auch die zitierte
Studie der RWTH Aachen, der zufolge 41 Prozent des raubkopierten und im
Internet vor dem Filmstart verfügbaren Bildmaterials aus
Pressevorführungen und Jury-Versionen stamme, zeigt nicht wie viel
Prozent angeblich bei Presse-Vorführungen illegal abgefilmt wird und
wie viel Prozent bei Jury-Sichtungen. Hinzu kommt dass die
Arbeitserschwernisse für Filmkritiker bei Hochsicherheitsvorführungen
in der zitierten Studie keine Beachtung finden. Zudem lassen die
Verleiher bei den Pressevorführungen nicht nur Filmkritiker ein,
sondern auch andere Personengruppen.

Wenn Constantin Film
darüber hinaus verlangt, unter dem Vorwand des Eindämmens von
Raubkopien Presse-Vorführungen zeitlich näher an die Kinostarts zu
rücken, ist dies ein Angriff auf alle Medien, die zweiwöchentlich oder
monatlich publizieren, denn sie können wegen ihrer langen Vorlaufzeit
keine aktuellen Kritiken mehr bieten. Mit dieser und ähnlichen Aktionen
wollen Verleihe vor allem erreichen, dass vor dem Filmstart möglichst
nur ihre vorproduzierten Werbe-Fotos, Werbe-Texte und Trailer in den
Medien erscheinen und eine kritische Berichterstattung für die mündigen
Bürger in Deutschland unterbleibt.

Der Verband der deutschen
Filmkritik protestiert erneut gegen diese
Hochsicherheitssicherheits-Vorführungen, die Presse-Vertreter generell
zu Kriminellen abstempelt. Er sieht darin einen unbegründeten
Vertrauensbruch und fordert seine mehr als 300 Mitglieder auf, die
Öffentlichkeit über solche skandalöse PR-Politik im Zusammenhang mit
den Voraufführungen des Films zu unterrichten.

Wir fordern die
Verleiher auf, sich mit uns an einen Tisch zu setzen, um für alle
Seiten vertretbaren Bedingungen für Presse-Vorführungen zu erreichen,
anstatt uns pauschal zu kriminalisieren und schlimmer zu behandeln als
jeden normalen Kinobesucher, der keine Sicherheitskontrollen über sich
ergehen lassen muss.

Saarbrücken, 13.7.2005
Verband der deutschen Filmkritik

Danke für den Hinweis an Marcus Stiglegger via :IKONEN:

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
Dieser Beitrag wurde unter Notizen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.