Gestern standen zwei Dokumentafilme und zwei Kiyoshi-Kurosawa-Filme auf meinem Programm:
Passion & Poetry: The Ballad of Sam Peckinpah (D 2004, Mike Siegel)
Siegels Dokumentarfilm über Peckinpah ist in jeder Hinsicht eine
filmische Hommage. Fast schon a-historisch nähert er sich seinem Idol,
indem er film- und zeithistorische Zusammenhänge mit dessen Schaffen
unberücksichtigt lässt und sich vornehmlich auf Sitationen auf den
Sets, Erinnerungen von Freunden und Kollegen und biografischen
Erlebnissen Peckinpahs konzentriert. Das ist schade, denn kaum ein
Regisseur kann für sich derartige Kontroversität verbuchen. Hier die
Bezüge der Filmografie zur Zeitgeschichte oder auch nur die Debatten,
die in der Filmpresse ausgefochten wurden mehr als in Andeutungen zu
erfahren, hätte aus „Passion und Poetry“ ein interessantes Projekt
werden lassen. So aber begnügt sich der Film mittels lehrbuchhafter
Dokumentarfilminszenierung amit, eine filmische Biografie zu sein und
wird seine Existenz wohl leider als Bonusprogramm auf Peckinpah-DVDs
fristen.
Seance (Kôrei, Jp 2000, Kiyoshi Kuosawa)
Unglaublich präzise und mit viel Gefühl für Bildkomposition und
Ausstattung erzählt Kurosawa eine Geschichte um einen Mord, der aus
einer Kette von Zufällen geschieht. Typisch für das japanische
Gruselkino sei, so der Regisseur im Gespräch nach dem Film, dass die
Schuld immer durch etwas Unschuldiges repräsentiert werde – als
Ikonografie des „J-Horrors“ hat sich hierfür die Figur des kleinen
Mädchen-Geists etabliert. Die Gruselszenen Kôreis zeigen daher deutlich
ihre Zugehörigkeit zum japanischen Horrorfilm, auch wenn sie die
mittlerweile geschulte „Wackel-Kind“-Erfahrung anderer Werke nicht
ausbuchstabieren (und im vergeblichen Warten auf diese umso
unangenehmer wirken). Die europäische Herkunft (zugrunde liegt eine
britische Kriminalerzählung) kann der Film durch seine geradlinige und
untypisch schlüssige Erzählung nicht leugnen. Gruselkino der besonders
stillen, emotionalen und vor allem pittoresken Art.
Rize (USA 2005, David LaChapelle)
„Rize“ erzählt über die Entstehungsgeschichte, Verbreitung und Wirkung
einer neuen Jugendbewegung in Los Angeles, der sich vornehmlich
Schwarze widmen: Dass die akrobatischen Tänze „nur“ ein neuer „Style“
seien, weisen die Protagonisten weit von sich – vielmehr gehe es um
eine Politik und eine alternative Lebenseinstellung, außerhalb von
Gangs, Drogen und Gewalt ein Selbstbild zu entwickeln. Dass das
gewalttätige Leben Los Angeles‘ jedoch vor dieser neuen Einstellung
keinen Halt macht, inszeniert „Rize“ gleich mit: Opfer von Überflällen,
Einbrüchen und sogar Mord werden auch die pazifistischen Tänzer. Mit
großer Eingängigkeit präsentiert LaChapelle seine Tanzszenen,
unterlegt, oder besser: überlagert von einem bombastischen
Hip-Hop-Soundtrack. „Rize“ ist in gewisser Hinsicht ein „ethnologischer
Film“ – suggeriert er doch die Parallelen der neuen Tanzbewegung zu den
afrikanischen Ursprüngen der Tänzer und ihrer Idee. Der anfänglich
aufkommende Verdacht, dass es sich dabei wieder nur um ein
„Ghetto-Phänomen“ handeln könnte, widerlegt der Film zum Ende hin
gekommt.
Pulse (Kairo, Jp 2001, Kiyoshi Kurosawa)
Der Tod ist das alles bestimmende Phänomen in Kurosawas „Kairo“:
Nachdem in der Hölle kein Platz mehr ist, verwandelt er – sich wie eine
Infektionskrankheit ausbreitend – die Erde nach und nach in ein
Leichenhaus. „Kairo“ erzählt, wie dies begann und präsentiert dabei die
mit die gruseligsten Bilder des japanischen Horrorfilms. Überaus
gekommt verbindet der Film seinen mikrosozialen Blick mit einer zum
Ende hin global inszenierten Katastrophe. Besonders beeindruckend ist
Art und Einsatz des Soundtracks, der die grotesk-gruseligen Szenen
perfekt begleitet. Trotz einiger Längen, die vor allem einer zu
ausführlichen Darlegung der Handlung in den Dialogen zwischen den
Figuren geschuldet ist, stellt „Kairo“ eines der eindringlichsten Werke
des jungen japanischen Horrorkinos dar.



