The Hitcher (USA 1986, Robert Harmon) (DVD)
Der us-amerikanische Highway ist das Refugium für Westernhelden und der
Raum für Westernerzählungen. Ob „Duel“ (1971), „The Hitcher“ (1986),
Breakdown (1997) oder sogar
„Lost Highway“ (1996) – die „Shootouts“ zwischen Gut und Böse finden
heute auf der Landstraße statt, das Waffenarsenal ist bereichert um
Autos – nur der Einsatz ist derselbe geblieben: die Identität des
Helden.
Und die steht auch in „The Hitcher“ zur Disposition. Auf den ersten
Blick ist der Film eine radikale „Coming of Age“-Erzählung, in der der
junge Jim Halsey die Fairnisse des Lebens kennen lernen soll: dass man
sich unter Bedrohung wehren muss, dass die augenscheinliche Wahrheit
nicht immer die objektive Wahrheit ist und dass man für die
(Selbst)Gerechtigkeit manchmal einen hohen Einsatz einbringen muss.
Die ganze Irrationalität im Handeln seines Kontrahenten John Ryder ist
einzig und allein auf Jims „Werdegang“ ausgerichtet. Der Killer
definiert sich an ihm. Er ist eine Art Lehrer, der die oben
beschriebenen Charakterzüge in Jim schärfen will. Dass er seinem
„Zögling“ stets einen Schritt voraus ist, zeichnet ihn als guten
Pädagogen aus. Er begleitet ihn bei seiner Selbstfindung, bei der
Stärkung seines Überlebenswillens, bei der Ausbildung seines
Gerechtigkeitssinns und schließlich beim Einsatz für seine Familie.
Wie im Western findet dies alles auf einer metaphorischen Ebene statt.
Und der „Hintergrund“ für diese Ausbildung ist die Weite der Wüste, in
der der Protagonist ohnehin auf sich selbst zurück geworfen ist. Eine
Kultur, die ihn verfolgt, wird durch eine Natur, die ihn bedroht
ergänzt. Jim werden durch beide nach und nach alle Fluchtwege
abgeschnitten und die Konfrontation geradezu aufgezwängt, die er am
Ende sogar herbeisehnt.
Seine Mutter habe ihn gewarnt, neimals einen Anhalter mitzunehmen. Und
dennoch entscheidet Jim sich, John in seinem Wagen mitzunehmen, „weil
er mir Leid tat“, wie er später zugibt. Dass in dieser Argumentation
sowohl der Vater als auch das väterliche Argument („Ich habe ihn
mitgenommen, weil ich auf mich selbst aufpassen kann.“) fehlt, fällt
erst auf den zweiten Blick auf. John füllt diese Leerstelle in der
Familie und in der Sichtweise Jims. Er wird zur Repräsentation des
Vaters mit all dessen Drohpotenzial und Lehrfähigkeit.
Der Serienmord wird in „The Hitcher“ funktionalisiert (das wird er
schon seit Bestehen des Films). John Ryder ist der Archetypus des
Serienmörders. Sein Name (wenn er denn stimmt) ist beredt und mysteriös
zugleich wie der des „Son of Sam“, seine Herkunft ist ungeklärt
(„Disneyland“ ist als Herkunftsangabe genauso gut und genauso typisch
wie „Amerika“), man weiß nichts über ihn … er ist ein Jederman.
Definiert werden kann er nur über seine Taten: Er erschleicht sich das
Vertrauen von Anhaltern, die er dann umbringt. Ob dies Einzelpersonen
oder ganze Familien sind, ist gleichgülitig.
In dieser Eigenschaft repräsentiert John Ryder all jene abstrakten und
konkreten Gefahren, mit denen das moderne Individuum (besonders der
filmische Westernheld) konfrontiert ist. Und wie Jim können all die
Highway-Cowboys (sehr deutlich in „Duel“ und „Breakdown“) diese
scheinbar allmächtige Gefahr nur bezwingen, wenn sie sich aus ihrem
moralischen Korsett befreien und eine eigene Form von Gerechtigkeit
praktizieren. In das zetgemäßere Setting, mit den zeitgemäßeren
Konflikten übertragen, hat der Western so nicht nur überlebt, sondern
ist zu einem der spannendsten und beunruhigendsten Genres überhaupt
geworden.



