The Mothman Pophecies (USA 2002, Marc Pellington)
Der obligatorische „B-Film“ (in der Videothek, in der ich Mitglied bin,
darf man sich zum „Top Film“ – hier: „The Incredibles“ – noch einen
älteren Film gratis ausleihen) wurde dieses Mal ein Kompromiss zwischen
meiner Abneigung gegen Richard Gere und meiner Neugier auf einen
Gruseltrhiller mit ihm sowie Miriams Zuneigung zu Richard Gere (hehe,
fieses Outing!) und ihrer Abneigung zwei Filme an einem Abend zu
gucken.
Was ganz gut anfing, wurde zusehends trivialer. Ein Mann verliert seine
Frau und kommt aus der Trauerphase nicht heraus. Dann stößt er auf eine
Reihe unheimlicher Phänomene, an deren Höhepunkt seine verstorbene Frau
(angeblich) aus dem Totenreich Kontakt (über’s Telephon!) mit ihm
aufnehmen will. Bis es soweit ist, erhält er (über’s Telephon“)
Prophezeihungen über Katastrophen und Schicksalsschläge, die er zu
verhindern versucht. In seiner Not und Angst verbündet er sich mit
einer anderen Frau, die er über Trauer und Angst hinweg lieben lernt
und so den Tod seiner Frau überwindet. (Das komplette Erzähl-Konstrukt
ist jüngst auch in „White Noise“ zu bewundern gewesen.)
„Mothman Prophecies“ gibt einige Versprechen, die er nicht einlöst. So
wird um den mysteriösen „Engel“/“Mottenmann“ zwar eine Menge Mythos
geschaart, woher er kommt, was er will und wohin er geht, bleibt jedoch
(im Wortsinne) im Dunkel. Als es kurz nach der Retardation (Gere
entscheidet sich gegen seine tote Frau und für seine neue Flamme) zu
einer weiteren „Katastrophe“ kommt, wird wohl auch dem letzten
Zuschauer klar, dass des Gruselelement des Films, eben jener
Mottenmann, ein rein funktionales Element bleibt, das einzig dazu
dient, Gere zu neuem Glück zu verhelfen.
Für mich der einzige Pluspunkt des Films sind die logischen Lücken, die
Unheimlichkeiten, die sich im Örtchen „Point Pleasent“ (welch beredter
Name!) zutragen. Diese Lücken sind fast dazu geeignet, die geradlinige
Narration zu sprengen – aber nur fast – und erinnern sogar ein wenig
ans Lynch.




Der Kontakt mit der anderen Welt übers Telephon – ist das vielleicht eine Anspielung auf die „Matrix“? 🙂
Nein, ich glaube, die Referenz – wenn man sie denn überhaupt als solche werten möchte – reicht noch weiter zurück. Das Telefon ist schon seit seiner Erfindung ein Medium im doppelten (technischen/okkulten) Sinne. Dazu hat Berhard Siegert mal einen tollen Aufsatz in der Zeitschrift „Fragmente“ veröffentlicht (Gehörgänge ins Jenseits. Zur Geschichte der Einrichtung telephonischer Kommunikation in der Psychoanalyse. In: FRAGMENTE. Schriftenreihe zur Psychoanalyse, H. 35/36, Juni 1991, S. 51-69.) Das Motiv des „unheimlichen Anrufs“ zieht sich vom 19. Jahrhundert durch die ganze Mediengeschichte. Eine meiner Hausarbeiten handelt vom „Telefonieren im unheimlichen Film“: http://www.stefan-hoeltgen.de/Texte/Telefon/telefon.html
Das alles werde ich mir unbedingt ansehen. Aber in „Matrix“ erfüllen die Anrufe nicht so sehr die unheimliche, wie die kommunikative Funktion. Sie leisten die Verbindung zu einer anderen Realität, was unheimlich wirken kann, aber nicht zwangsläufig muss… Wobei Zizek, wie ich glaube, in seinem Artikel zu diesem Thema vorgeschlagen hat, das Telephon als Medium der Kommunikation mit dem Jenseits durch die Toilette zu ersetzen. Wahrscheinlich, weil das irgendwie noch unheimlicher ist. 🙂
Es gibt ein Konzept, das diesen Effekt aus „Matrix“ beschreibt:
„Das Telefonat lässt sich als Kopplung zweier durchaus verchiedener Situationen auffassen, die nur dadurch zusammengehalten werden, dass sich das kommunikative Handeln der Beteiligten um einen unsichtbaren, nur akustisch präsenten Partner zentriert.“ (Bernhard Dabatin. Riskante Gespräche. Kommunikationsstärungen und -abbrüche im (Film)Telefonat. In: Forschungsgruppe Telekommunikation (Hg.): Telefon und Kultur. Das Telefon im Spielfilm. Berlin 1991, S. 29.)
In dem Text wird die Raum-überbrückende Funktion von Telefonen/vom Telefonieren im Film untersucht. Mit Hilfe des Telefons wird eine Möglichkeit zwischen entfernten Räumen hin und her zu schneiden, geschaffen, die der Zuschauer ohne Erklärung versteht, weil er weiß, dass man mit dem Telefon in weit entfernte Räume „eindringen“ kann, ohne sich bewegen zu müssen.
In „Matrix“ ist das sogar zum Erzählprinzip geworden. Die bewegungslosen Batterie-Menschen existieren ebenfalls in zwei Welten, die nur durch Medien verbunden sind. Und die Besatzung der „Nebukadnezar“ macht man sich diese Logik der Matrix ebenfalls zu nutze, indem sie weiß, dass man nur mit Hilfe eines Mediums die Membran zwischen Wirklichkeit und Virtualität durchstoßen kann (in beide Richtungen).
@iek: Ja, der Mann fühlt sich vom Abjekten angezogen. Das ist überoffensichtlich. 🙂
>Wobei Zizek, wie ich glaube, in seinem Artikel zu diesem Thema vorgeschlagen hat, das Telephon als Medium der Kommunikation mit dem Jenseits durch die Toilette zu ersetzen.
In dem Computerspiel DAY OF THE TENTACLE wird die Toilette immerhin genutzt, um über die Jahrhunderte hinweg miteinander zu kommunizieren. 🙂
>Abjekt
Seine Gattin trägt den schönen Namen Analia, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe. Nun denn…
Telefonieren im Film scheint wohl wirklich ein interessantes Thema zu sein. Und facettenreicher als ich dachte. Ich fange dann mit deiner Hausarbeit an. 🙂
>Analia
Der Name kann jedenfalls nicht zufällig sein: Ihre Eltern sind doch Lacan-Forscher oder sowas. :))