Taxi Driver

Taxi Driver (USA 1977, Martin Scorsese)

Nach dem wahrlich „rund gelutschten“ Aviator
noch einmal dieses kantige und scharfgeschliffene filmische Juwel aus
der Schmiede Scorseses zu sehen, war eine Wohltat. Grund der Sichtung
ist ein Artikel für die Zeitschrift „MERZ – Medien & Erziehung„, in dem es um das Thema „Gewaltdarstellung im Schulfilm-Kanon“ gehen soll.


Taxi Driver umkreist das Problem des „Nicht-zueinander-kommens“:
Travis kommt nicht an seine Liebe (Betsy) heran; Travis kommt nicht an
sein Opfer heran (Senator Palantine), Travis kommt nicht an sein
„Mordmotiv“ heran (der Film beschreibt die verzweifelte Suche
Travis‘, einen vernünftigen Grund für ein Massaker zu finden).

Aber
auch der Film selbst ist auf seiner „Oberfläche“ von Differenzen und
Widerstreits bestimmt: Die Bilder, die wir sehen, die Schmutz,
Aggression und Kälte zeigen, kommen nicht an den Plot heran, der die
einfühlsame Suche Travis nach einem anderen Menschen beschreibt („Ich
bin Gottes einsamster Mann!“); ja, selbst der Soundtrack von Taxi
Driver kommt nicht an sein „Motiv“ heran – changiert zwischen
romantischem Jazz und bedrohlich anschwellendenden Bläser- und
Schlagzeug-Kaskaden.

Und fast erscheint es ironisch, dass gerade dieser Film in den
deutschen Schulfilmkanon Einzug gehalten hat: Wirkt seine Gewalt doch
so unbegründet, wie in selten einem anderen Film zu sehen. Ja, Travis‘
Suche nach einem Grund, endlich gewalttätig sein zu können, ist ja
regelrecht psychotisch. Und schließlich findet er seinen Grund – auch wenn dieser so fadenscheinig ist, dass es jedem sofort
aufflällt: Nach einem kleinen Vorgeschmack der Selbstjustiz, bei dem
Travis einen Ladenräuber anschießt und ihm danach der endgültigen
Selbstjustiz des Ladeninhabers überlässt, konzentriert sich Travis auf
die „großen Fälle“: Der eigentliche Faschist Traivis, äßerlich als Punk aufgemacht, will den
Präsidentschaftskandidaten erschießen (Vermutung: um die staatliche
Agression gegen den „Abschaum“, von der er so lange schon träumt,
endlich überschäumen zu lassen?) Als dies fehlschlägt, richtet sich
Travis Aggression auf den Zuhälter Iris‘.

In der Schlusssequenz, dem Massaker, erleben wir, wie scheinbar
kathartisch alles zusammen kommt, was den Film über getrennt war:
Musik, Bilder und Plot fließen in einem regelrechten Orgasmus zusammen, als Travis
„aufräumt“. Nun ist er nicht länger der einsame Flaneur, der nachts
durch die Straßen zieht und sich eigentlich in nichts von all den
anderen unterscheidet. Jetzt ist er „Der Mann in der Menge“, der etwas
„tut“. Er hat sein Motiv gefunden und der Film zeigt uns dies nicht nur
in den Gewaltbildern, sondern vor allem in deren kontrastiver
Darstellung durch Schnitt, Musik und Kamerabewegung. Die finale Fahrt
vom lächelnden Gesicht Travis‘ zurück durch das blutbesudelte
Treppenhaus lässt schließlich nur einen Schluss zu:

Wir müssen uns Travis Bickle als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Essay-Sammlung zu Taxi Driver

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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7 Antworten zu Taxi Driver

  1. Carsten P. Czarnecki sagt:

    Sehr interessant deine Ausführungen zu lesen. Habe den Film bisher nicht unter dem Aspekt des „Nicht-zueinander-kommens“ betrachtet.

    Was mich interessieren würde: Hast du Scorseses „Goodfellas“ gesehen? Bei meiner letzten Sichtung des Films sind mir einige Parallelen zu „Taxi Driver“ aufgefallen. Ich plane derzeit auch eine Arbeit über die Vorgehensweisen und Emotionen der Charaktere in Scorseses Werk, wo mir vor allem in „Taxi Driver“ und „Goodfellas“ aufgefallen ist, dass sich die Hauptfiguren (Travis Bickle bzw. Henry Hill) versuchen auszudrücken. Beide leiden unter einer verzerrten Weltanschauung (bei Travis ist das klar, bei Henry fällt die Begeisterung zur Mafia auf, was nicht gerade konventionell ist). Beide Figuren versuchen ihren inneren Drang nach Selbstverwirklichung auszuleben. Nicht für andere Leute, sondern für sich selbst. Travis sucht, wie du geschrieben hast, nach einem Grund für den Gewaltausbruch, Henry wird da „hineingezogen“, obwohl er natürlich selbst damit angefangen hat für die Mafia zu arbeiten.

    Ich bin schon jetzt sehr gespannt auf „The Aviator“ und wie oder ob überhaupt Scorsese dieses Charakterkonzept weiterführen wird.

    Gruß
    Carsten

  2. mabo sagt:

    travis ein glücklicher mensch ?
    naja,nach der sogenannten finalen fahrt,die mit dem kopfschuss anfängt den travis sich wie im bild zu sehen gibt geht der film ja noch etwas weiter,wichtig weiter.der durch die presse zum held gewordene,als killer unter kollegen geneckte fährt ein weiteres mal cibyll sheperd im taxi – sie versucht wieder kontakt aufzunehmen,spricht ihn mit dem vornamen an,fragt wies so geht.ich finde das das sehr offen bleibt,man kann es so lesen das travis sie erkennt und quasi über den dingen stehend nicht auf sie eingeht – oder er hat sich wirklich erschossen,ist ein weiteres mal gestorben und erkennt sie nicht.
    de niro spielt auch einen vietnamveteran,der im wirklichen leben angekommen keinerlei halt findet.schlechte ausbildung,kann nicht gut lesen und schlecht rechnen.zum taxifahren kommt er auch nur deshalb da sein chef aus der gleichen einheit kommt.
    schrader hat das vorzügliche drehbuch ( da steht wirklich schon fast alles drin was im film auch zu sehen ist ) aber natürlich auch und besonders über die probleme zwischen den menschen geschrieben – das nicht zueinanderkommen ist klar einer der knackpunkte.es ist aber auch die großstadt,der moloch …
    schön anzumerken : der charakter max cady in CAPE FEAR entspricht travis bickle wenn er in TAXI DRIVER ins gefängnis gekommen wäre,zeitpunkt und länge der haft kommen hin….

  3. Carsten sagt:

    Ja stimmt, der „Rest“ des Films MUSS berücksichtigt werden. Scorsese selbst sagte ja, dass Travis eine tickende Zeitbombe ist die immer wieder ausbrechen kann. Das ist es was der „Sting“ verdeutlichen soll. Und dass Betsy Travis anspricht ist ein Teil von Schraders zynischem Kommentar auf die Medienwelt.

    „Taxi Driver“ ist definitiv einer meiner Lieblingsfilme. Warte bereits ungeduldig auf „The Aviator“.

  4. mabo sagt:

    vielleicht ein zynischer kommentar – ich bin mir aber nicht so sicher…

    AVIATOR bereitet mit angst,hughes nur bis zu einem gewissen zeitpunkt und ohne das große ende zu zeigen ?
    vor ein paar tagen tippte ich hughes bei google ein,dritter hit war ein beitrag des ELLE-magazins,tenor : von dem mann sollte sich jeder mann von heute eine scheibe abschneiden – nicht das ich ELLE als grundlage ansehe,aber das kommt dabei halt raus !
    TAXI DRIVER ist schrader plus scorcese,das gibts nicht zu wiederholen !
    natürlich freue ich mich sehr und muß mich jetzt schon beherrschen den film nicht als divx schon grade jetzt zu sehen,wir sprechen die tage !

  5. Thomas sagt:

    Hallo, Fachleute.

    Euch ist sicher nicht entgangen, dass der Satz „Wir müssen uns Travis Bickle…“ eine Anlehnung an ein Bonmot des französischen Philosophen Albert Camus ist, also in einem Zusammenhang steht, der der rein begrifflichen Ebene („Hey, schaut mal dort, Travis Bickle, ist er nicht glücklich?“) noch eine zusätzliche Bedeutungsebene erschließt.

    Da Euch dies bekannt ist – Carsten ist ja, soweit ich weiß, bekennender Philosoph und entsprechend geschult – frage ich mich, was es da noch zu diskutieren gibt?

  6. mabo sagt:

    ne,wußte ich nicht,aber mann/frau lernt ja nie aus …

  7. Stefan sagt:

    ZITAT
    Euch ist sicher nicht entgangen, dass der Satz “Wir müssen uns Travis Bickle…” eine Anlehnung an ein Bonmot des französischen Philosophen Albert Camus ist
    ZITAT-ENDE

    Ah, endlich. Danke Immo! 🙂

    Natürlich ist der Satz nur genau in diesem Zusammenhang zu verstehen. Dass der Held Sisyphos sich in sein Schicksal einfügt und es annimmt; dass sich seine Strafe, den Stein den Berg hinaufzurollen, nur damit er dann wieder hinabrollt, immer und immer wiederholt.

    Travis ist ein tragischer Held. Sein Schicksal ist ein circulus vitiosus, wie das von Sisyphos. Über diese „zyklischen Narrationen“ im Werk Scorseses habe ich mal einen eigenen Essay geschrieben:

    http://frame25.f-lm.de/Ausgaben/02_00/scorsese.html

    Stefan Höltgen

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