Hauptseminar „Psychoanalyse und Literaturwissenschaft“
Abschluss der Lektüre von Freuds „Der Dichter und das Phantasieren“.
Heute gehen wir auf einige Details des Textes ein und ich kann meine
„Zurückhaltung“ etwas aufgeben. Zunächst entsteht zwischen Prof. Wetzel
und mir die Frage, ob die heikle „Weiber-Stelle“ (Studienausgabe Bd. X,
S. 174 oben) eventuell auf Otto Weininger zurück geht – oder eben
umgekehrt. Wetzel konstatiert, dass gerade der frühe Freud „nicht so
genial“ gewesen ist, wie die Wissenschaftsgeschichte ihn darstellt –
außerdem sieht er gerade in der auf die „Weiber“-Stelle folgende
Aussage über den Ehrgeiz des Mannes noch Einflüsse Alfred Adlers
(Machttrieb).
Großes Thema des Seminars ist ein wichtiger Widerspruch im Text: Freud
versucht anfangs (S. 172) darzulegen, dass „Lust“ die Quelle
literarischer Produktion sei; nur wenig später (S: 176) rücken jedoch
auch narzisstische Momente in die Argumentation (Passage: Sicherheit,
Unverletzlichkeit des Helden). Von hier ausgehend gibt es eine kleine
Diskussion über den Narzissmus von Superhelden, der zwar interessant
ist, aber leider etwas an der „mangelnden Quellenkenntnis“ der
Studierenden krankt.
Ein anderer interessanter Exkurs (noch ausgehend von der
„Weiber“-Passage) fand zum Phänomen „Sex and the City“ statt. Prof.
Wetzel und ich kamen überein, dass die Linie, die von den
Hysterikerinnen des 19. Jahrhunderts über die phallischen Frauen des
Kinos der 90er Jahre konsequent zu Hysterie und Frigidität (beides als
psychoanalytische Termini!) der Figuren aus „Sex and the City“ reicht –
mithin das Freuenbild zwar anders ist, aber lediglich auf seiner
Oberfläche (das also das Ausleben des „Masturbationszwangs der Frau“ –
Freud – hier nur in einer Zeit dargestellt wird, in der es
gesellschaftlich nicht mehr reglementiert ist. Misogyn ist die
Darstellung deshalb trotzdem noch.)
Als Literaturtipp habe ich mitgenommen: Paul Julius Möbius: Ueber
den psychologischen Schwachsinn des Weibes (1901), das die misogyne
Tendenz der Forschung um 1900 (zu der eben auch Freud und Weiniger
gehört) bestätigt. Eine faksimilierte Ausgabe des Bandes habe ich für 7
Euro bei ZVAB erstehen können.



