22.03.04: eXistenZ (DVD)
Wieder einmal habe ich eine ältere Sichtweise zu revidieren.
Cronenbergs eXistenZ will zu keiner Zeit Ernst genommen werden. Wenn man das übersieht, geht das maßgebliche Verfahren zur Unterscheidung Relaität/Virtualität verloren, denn die "Peinlichkeit", von der ich in meiner Kritik geschrieben habe, kennzeichnet ja gerade die Spielebenen als erzählerische Konstruktionen. Das wird hin und wieder auch thematisiert, dass die Spielfiguren irgendwie "hölzern" wirken: Als Allegra sich bei Ted über den Spieleverkäufer ärgert, der "schlampig entwickelt" wurde.
Interessant ist, dass Cronenberg behauptet, auf die Idee zu eXistenZ gekommen zu sein, nachdem er sich mit Rushdie getroffen und über das Thema "Verfolgung von Künstlern durch Fanatiker" unterhalten hat. Das ist zwar oberflächlich gesehen der "Hauptdiskurs" des Films, aber dient nur zum kaschieren eines ontologischen Projektes: Wenn die Virtualität asymptotisch an die Realität angenähert wird, wie können wir sie dann noch als solche erkennen? … Müssen wir sie dann überhaupt noch erkennen können oder ist sie dann nicht schon die (Hyper)Realität? Und: Ist Subjektivität und eine konsistente Persönlichkeit (wie bei Leibniz mit "Individualität" bezeichnet) eine notwendige Bedingung für Realität oder eine hinreichende?
Der "Agentenfilm" bildet die ideale Basis für eine solche Fragestellung – und das ja nicht zum ersten Mal in der Filmgeschichte (von "Die 27. Etage" bis "Matrix"), weil das philosophische Thema hier durch eine Verschwörungstheorie verdoppelt werden kann und damit auch als erzählerisches Sujet "wahrnehmbar" wird. Bei eXistenZ gerinnt das Genre zum reinen Vorwand für diese Fragestellung. Deshalb erlaubt sich Cronenberg auch, die Story und ihre Charaktere nicht ernstzunehmen.



