19.03.04: Ted Bundy (DVD)
Wenn
ich mir meine Kritik in der SI (Nr. 51) so anschaue, muss ich sagen,
dass ich dem Film voll auf den Leim gegangen bin. Aber das ist ja auch
irgendwie kein Wunder, denn der Film ist gut … so gut, dass er wohl
erst einmal jeden frappiert. Gut, ich habe 1,5 Jahre gebraucht, ihn mir
noch mal anzuschauen und meine, seinen Wirkmechnismus jetzt geknackt zu
haben:
Ted Bundy ist eifrig bemüht, alle Register der
Filmästhetik zu ziehen, um seine Hauptfigur so amoralisch,
hinterhältig, pervers, berechnend, bösartig, verlogen und narzisstisch
darzustellen, wie es nur irgendwie geht.
Man muss sich eigentlich nur drei Szenen anschauen und mal auf die Details achten:
1.
Bundys Sex mit seiner Freundin nach „seinen Wünschen“: Ihre Beine und
Hände sind an den Kopfenden des Bettes gefesselt. Sie soll sich tot
stellen und er fuhrwerkt wie ein Berserker zwischen ihren Beinen herum.
Die Kamera zeigt zuerst das Mädchen aus einer Perspektive, die mit
einer Subjektive Bundys korrespondiert, dann im Gegenschuss sein
wirklich extrem wut- und schmerzverzerrtes Gesicht und seine Rufe:
„Fuck! Fuck! Fuck!“
2. Szene – direkt im Anschluss: Die
Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der beiden Mädchen vom Strand.
Bundy nimmt seine Opfer überhaupt nicht ernst. Er hat keine Angst
entdeckt zu werden und spielt mit ihnen. Als eine blutend flüchtet,
joggt er leichten Schrittes hinter ihr her und lacht sich dabei halb
schlapp. Als er das Mädchen zurück in die Hütte gezerrt hat und sie
vergewaltigt, grinst er dabei die andere diabolisch an, die dem Akt
beiwohnen muss und weiß, dass sie die nächste ist.
3. Szene:
Bundy zerrt ein halbnacktes Mädchen aus dem Auto, wirft es unter einem
Baum. Sie schluchzt und fleht ihn an, er hält ihr eine politische Rede
über Frauen, die Republikaner und seine Wünsche, während er sich
langsam auszieht. Extreme Draufsicht und Fahrt in die Vogelperspektive.
Welcher
Zuschauer den Typen bis dahin noch nicht hasst und ihm den Tod wünscht,
kann dem Film nur mit halber Aufmerksamkeit beigewohnt haben.
Als
Bundy schließlich gefasst wird, stellt sich die Justiz als unfähig
heraus: Er genießt im Knast alle Freiheiten, die er sich wünscht und
kann zwei mal fliehen. Erst als er in der Death-Row sitzt, wendet sich
das Glück gegen ihn und der Zuschauer ist mittlerweile da, wo der Film
ihn haben will: Seine Rachegelüste finden Befriedigung. Verdoppelt wird
dies durch eingeschnittene Szenen von Demonstranten vor dem Gefängnis,
die auf Transparenten den Tod Bundys mit sarkastischen Kommentaren
fordern.
Und als Bundy dann schließlich vom Gefängnispersonal
gefoltert wird (er bekommt die Haare geschoren dann einen ganzen Beutel
Watte in den Arsch gesteckt („So you don’t mess yourself.“) und
schließlich langsam und in Großaufnahme auf dem elektrischen Stuhl
gegrillt wird (ab und zu Gegenschnitt zu den unbeteiligten Beamten und
zu den teilweise lachenden Zuschauern im Zeugenraum) … da fallen
einem dann wieder seine letzten Worte am Telefon ein: „I’m a human
being.“ Und die scheinbar befriedigten Rachegedanken werden zu den
Überlegungen gelenkt, die die Gegner der Todesstrafe schon seit je her
äußern.



