Hwal – Der Bogen (Süd-Korea 2005, Kim Ki-Duk) (PV im Off-Broadway Köln)
Heute habe ich den aktuellen Ki-duk gesehen und war wieder einmal von den Socken: Hwal kann als eine Art Zusammenfassung der letzten Filme Ki-duks gesehen werden. Setting, Mise-en-Scène, Montage und Figurenkonstellationen erinnern an „Frühling, Sommer …“, „Bin-Jip“ und „The Isle“.
Immer wieder bewundernswert ist es, wie Ki-duk scheinbar moralische, kulturelle oder emotionale Gegensätze miteinander in Einklang und Versöhnung bringt. Auch hier urteilt er nicht über das Verhalten des alten Mannes, der ein siebenjähriges Mädchen auf sein Schiff entführt hat und es dort so lange „gefangen“ hält, bis es 17 ist und er es heiraten kann; er sorgt vielmehr für gegenseitiges Verständnis. Dass die Ansprüche der Protagonisten zu keiner Zeit als niedrige Beweggründe (hier gar als Pädophilie) gebrandmarkt werden, ist einer der großen moralischen Pluspunkte der Erzählung, die damit modellhaften Charakter bekommt.
Eine wunderschöne, diese Modellhaftigkeit schließlich vollends transzendierende Szene ist jene, als das Mädchen mit einem jungen Mann fliehen will und den alten Fischer allein zurücklässt. Er bindet sich von beiden unbemerkt ein Tau um den Hals und verbindet es mit dem Fluchtschiff, so dass ihre Abreise sprichwörtlich sein „Todesurteil“ bedeutet. Zunächst wird er auch stranguliert, doch schon bald entscheidet er sich anders und beginnt, das Seil mit dem Messer zu druchtrennen. Doch auch an der anderen Seite versteht das Mädche plötzlich den Sinn des Taus an ihrem Schiff und durchtrennt es ebenfalls.
Dieses Durchschneiden des beide fesselnden Bandes überträgt sich schließlich auch auf die symbolische Ebene: Nun kann sie ein letztes Mal zum alten Mann zurückkehren, die Hochzeitszeremonie durchführen und sich endlich von ihm lösen, weil sie versteht, dass es ihm zu keiner Zeit um profane Dinge wie Besitz, Eifersucht oder gar Sexualität ging, sondern einzig um allein darum, den Widerstreit zwischen Jung und Alt, Tradition und Fortschritt, Lebenlassen und Sterbenkönnen miteinander zu vereinen.
Kim Ki-duk fotografiert seine Geschichte in seichten, langsam gleitenden Groß- und Nahaufnahmen, fängt magische Momente der Bewegung von Dingen und Menschen ein und übertönt alles mit einem wunderschönen Soundtrack. „Hwal“ ist ein echter Kinofilm, der alle Sinne anspricht – zuvordertst natürlich den Sinn für Poetik. Ich werde ihn auf jeden Fall noch einmal anschauen, wenn er offiziell ins Kino kommt.



