Willy Wonkas Wunschmaschine

Charly und die Schokoladenfabrik (Charly and the Chocolate Factory, USA 2005, Tim Burton) (Woki Bonn)

Gut, dass ich ihn doch noch im Kino sehen konnte! Auch mal wieder Zeit für eine ideologiekritische Lektüre.

Sicherlich ist "Charly" eine Rückkehr zur hybrid-gothischen Fantastik von "Edward mit den Scherenhänden" und dennoch (oder deshalb) ist es interessant zu sehen, was Burton dem Sujet hinzufügt. Unter der Oberfläche einer "Weihnachtsgeschichte" lautert ein interessanter Blick auf den Kapitalismus und die protestantische Ethik.

Zunächst fällt die Ähnlichkeit der Stadtarchitektur beider Filme auf: Wie bei "Edward" sind auch bei "Charly" die Häuser und Straßenzüge unter dem Sitz der "Herrschaft" angesiedelt. Diese Herrschaft äußert sich nun aber nicht mehr allein in der Mythenproduktion, sondern auch in einer ökonomischen Abhängigkeit des "Dorfes" gegenüber dem "Schloss", das nun/deshalb eine Fabrik ist. Etliche Perspektiven gibt es, die die Fabrik aus der Untersicht der Stadt und die Stadt aus der Draufsicht des Schlosses zeigen. Eine Oben-Unten-Dialektik, die beredt ist – vor allem, wenn man sie auf den ökonomischen Diskurs des Films überträgt.

Der gute Feudalherrscher aus "Edward" hatte einen Cyborg, ein Mischwesen geschaffen, das – nach dem Modell des "neuen Prometheus" – zu keiner der Welten gehört. In "Charly", könnte man sagen, hat er sich (s)ein perfektes Refugium geschaffen: eine Fabrik, bevölert von "befreiten" Märchenbewohnern. Willy Wonka ist nun das Urbild des humanistischen Kapitalisten – dessen Humanismus allerdings auch nur der "Arterhaltung" dient, wie man schnell feststellen muss.

Dass sich Wonka nämlich fünf Kinder in seine Fabrik einlädt, die er dann nach bestimmten Charakteristika aussortiert, ist der ideologische Kern des Films. Raus fliegt, wer zu reflektiert, zu affektiert, zu triebgesteuert oder zu inhuman ist – übrig bleibt, wer den Geist des Protestantismus mit der Flasche aufgesogen hat: Sparsamkeit als Prinzip, Gütigkeit, wo sie nicht selbstzerstörerisch ist und Familiensinn über alles. Das, was Wonky von dem kleinen Charly bekommt, ist in Wirklichkeit nichts im Gegesatz zu dem, was Charly bekommt, ohne es zu wollen. Dass Charly en passent Wonka den verschütteten Familienfrieden zurück gibt, ist nur das melodramatische Unterfutter, das das Warenwirtschaftsdenken aller wärmt (so stabilisiert man Wirtschafts-Oligarchien!).

"Charly" verkauft diese Ideologeme als Märchen. Denn nur das Märchen ermöglicht es, komplexe Narrationen auf Archetypen und Stereotype zu reduzieren. aber auch nur das Märchen ermöglicht es, die Ideologeme in Reinkultur wiederzuentdecken. "Charly und die Schokoladenfabrik" ist ein toller Film. 🙂

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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