»Most importantly, have fun.«

Elephant (USA 2003, Gus van Sant) (DVD)

Nachdem mich „Gerry“ ziemlich umgehauen hat, habe ich mir vorgenommen,
meine Bildungslücken Gus van Sant betreffend jetzt einmal zu schließen.
Die beiden Filme sind sich von der Machart recht ähnlich – fast scheint
es so, als sei „Gerry“ eine ästetische „Vorstudie“ zu „Elephant“ und
wenn ich über ersteren nach meiner gestrigen Sichtung von „Elephant“
noch einmal nachdenke, wird mir vieles klarer.

„Elephant“ kann als direkte Reaktion auf das „Schulmassaker“ von Littleton
(1999) gesehen werden, zumal sich der Plot in vielen Details am
Tatgeschehen orientiert. Viel interessanter ist aber, welchen
„Mehrwert“ der Film über dieses dokumentarischen Faktum hinaus
anbietet. Die Erzähl-Schleife, die immer wieder um einzelne Szenen herum
orientiert ist, zeigt den verzweifelten Versuch, allein durch den Wechsel
der Perspektive irgend ein Indiz zu finden, das die Katastrophe
vorausdeutet. Die „Analyse“ geht so weit, dass mitten in einem Handlungsverlauf
für einige Sekunden auf Zeitlupe geschaltet wird, um in der „Dehnung
der Bewegung“ (Benjamin) nach Andeutungen zu suchen.

Das ist natürlich alles vergebens, denn die absolute Kontingenz des
Amoklaufs deutet sich nicht in Details voraus und lässt sich nicht aus der Summe von Details erklären. Und so
weicht der Film schließlich auf Allgemeinplätze aus: Die beide Täter werden
dabei gezeigt, wie sie Shoot-em-ups spielen, wie sie Schießübungen
machen, wie sie sich für Hitler und das „Dritte Reich“ interessieren.
Das sind die hinreichend bekannten und akzeptierten „Gründe“ für den
Amoklauf – die aber allesamt zu kurz greifen. Und so unterbricht van
Sant diese Argumentationsketten immer wieder mit extrem
emotionsgeladenen Szenen: Einer der Täter spielt den ersten Satz der
Mondscheinsonate (zwar nicht fehlerfrei aber mit viel Ausdruck), der
andere gesteht, dass er nie jemanden geküsst hat usw.

„Elephant“ ist vielleicht einer der intensivsten Versuche, eine
Gewalttat zu verstehen, sie filmisch zu sezieren und das eigene
Scheitern dieses Versuchs als ästhetisches Projekt auszuzeichnen. Die
Ruhe und Alltäglichkeit, die Banalität der Figuren (die nie ins
Groteske gezogen wird) und die nur angeschnittenen, aber unaufgelösten
Probleme einzelner Protagonisten bestimmen den gesamten Film. Vor allem
hierin ist „Elephant“ dem ein Jahr zuvor erschienen „Gerry“ sehr
ähnlich.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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