Tiefen und Höhen

Die zweite Hälfte des ersten Filmtages fing enttäuschend an, schwang sich dann aber noch einmal zu Höhen empor:

Silver City (USA 2004, John Sayles)

Der erste Film, den ich vom Independend-Regisseur Sayles (einem „echten
Intellektuellen“, wie eine Sitzreihe hinter mir anerkennend geraunt
wurde) zu sehen bekommen habe – und schon gleich ein Flopp: Die
Erzählung um die verschwörerischen Hintergründe eines Leichenfundes,
der zufällig bei den Dreharbeiten zu einem Gouverneur-Wahlwerbespott aus einem See
gefischt werden, ist stinklangweilig. Der Invesitgator, der in bester
und zugegeben recht ironischer Film-noir-Manier ermittelt und sich von
einem Scheitern zum nächsten hangelt, macht dabei noch die
interessanteste Figur. Alles andere – vor allem aber die hochkarätig
besetzten Nebenrollen (Billy Zane, Daryll Hannah, Richard Dreyfuss, Tim
Roth) – bleibt weitgehend unaufällig. Schauwert hat der Film gar
keinen, konzentriert sich aber voll auf die (2004 vor Bushs
Wiederwahl wahrscheinlich noch einigermaßen brisante) politische Erzählung. Die
hat leider keine Abwechslung zu bieten und ist zudem viel zu lang
geraten.

Der Hals der Giraffe (Le Cou de la girafe, F/B 2004, Safy Nebbou)

Das Erstlingswerk Nebbous ist gleich schon ein Volltreffer. Ein
poetischer kleiner Film um die Suche nach der eigenen Vergangenheit,
der ein kleines Mädchen, seine Mutter und den Großvater erst quer durch
Frankreich und dann schließlich nach Spanien treibt. Mit
beschwinglicher Leichtigkeit (eben jene Leichtigkeit, die ein
neujähriges Mädchen und ein 80-jähriger Großvater als Paar ausstrahlen)
erzählt der Film seine eigentlich tragische Geschichte bis zu einem
tragisch-versöhnlichen Ende. Absolut entzückend (mal wieder) Sandrine
Bonnaire! Die Bilder – vor allem die Panorama- und Total-Aufnahmen, in
denen die Protagonisten ins Verhältnis zur Landschaft gesetzt werden –
im Verbund mit dem leicht repetitiven Soundtrack (erinnert ein bisschen
an Yann Tiersen) kennzeichnen den Film als „echt französisch“ und
stellen ihn in die traditionelle Linie zu den Werken von Malle und
Rohmer.

Nachdem Matthias mir von seiner Sichtung „The Great Ecstasy of Robert
Carmichael“ erzählt hat, habe ich den gleich mal wieder aus meinem
Programm gestrichen. Ich will meiner Abneigung gegenüber dem „Kino der
Extreme“ nicht neue Gründe nachliefern. Zudem soll der Film wohl recht
hilflos in seiner Provokation daher kommen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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Eine Antwort zu Tiefen und Höhen

  1. Maleika sagt:

    … den „Hals der Giraffe“ möchte ich sehen!(blush)

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