Protest gegen das Verhalten des Filmverleihs bei „Krieg der Welten“

Im folgenden gebe ich eine Pressemitteilung des „Verbandes der
deutschen Filmkritik“ wieder, die ich inhaltlich voll unterstütze:

„verband der deutschen filmkritik Mitglied der FIPRESCI Fédération
Internationale de la Presse Cinématographique VdFk, Schillerplatz 16,
66111 Saarbrücken, Mail: filmkritikverband@yahoo.de

Presse-Erklärung

Protest gegen das Verhalten des Filmverleihs bei „Krieg der Welten“ und der Behandlung von Filmjournalisten in Deutschland

Der
Verband der deutschen Filmkritik protestiert aufs Schärfste gegen die
Vorgehensweise bei den Presse-Vorführungen zu dem Steven-Spielberg-Film
„Krieg der Welten“. Der Filmverleih UIP verlangt von den
Filmjournalisten, dass sie vor den landesweit am 27. Juni 2005
angesetzten Presse-Vorführungen eine Erklärung unterschreiben, keine
Kritik vor dem 29. Juni, dem Starttermin des Films, zu veröffentlichen.

Dieses Vorgehen behindert nicht nur die Presse – hier die
Filmkritik – bei der Ausübung ihrer von der Verfassung garantieren
Rechte. Auch wird der Eindruck erweckt, dass Journalisten mit
juristischen oder anderen Repressalien rechnen müssen, wenn Sie diese
Verpflichtungserklärung nicht unterschreiben oder ihr zuwiderhandeln.

Die
Umstände bei der bisher einzigen Presse-Vorführung des Films in Berlin
am 14. Juni 2005, sind ebenfalls ein schwerer Eingriff in die
Arbeitsbedingungen für Filmjournalisten. Wie schon bei
Pressevorführungen von Filmen anderer Verleihe mussten die Journalisten
Mäntel, Taschen und alle technischen Geräte abgeben, auch Handys, durch
eine Körperkontrolle gehen und wurden während der gesamten Vorstellung
mit Sichtgeräten und von Sicherheitskräften beobachtet.

Eine
solche Behandlung rückt uns in die Nähe von Verbrechern und suggeriert
den weit hergeholten Verdacht, anerkannte Filmkritiker würden
unprofitable kriminelle Handlungen begehen. Die Wartezeiten beim
Abgeben und Abholen der deponierten Teile kann den Zeitaufwand für die
Rezension eines einzigen Films um bis zu 60 Minuten verlängern. Dass
Handys zu den abzugebenden Geräten zählen, erschwert die Situation.
Kaum ein Journalist kann es sich leisten, darauf zu verzichten, da er
nur so direkt vor und nach der Vorführung für seinen Arbeitgeber bzw.
Auftraggeber erreichbar ist. Dies obwohl selbst modernste Handys nicht
das aufnehmen können, was Verleiher befürchten: publikationsfähige
Bilder oder bis zu 120 Minuten deutsche Tonspur für die unerlaubte
Synchronisation amerikanischer Raubkopien.

Der Verband der deutschen Filmkritik protestiert daher gegen diese Hochsicherheits-Vorführungen und Verpflichtungserklärungen.

Er fordert seine mehr als 300 Mitglieder auf,

– die Öffentlichkeit über diese skandalöse PR-Politik im Zusammenhang mit den Voraufführungen des Films in Kenntnis zu setzen

– in Zukunft entsprechende Verleiher-Embargos zu ignorieren beziehungsweise diese Filme nicht zu besprechen*

Der
Verband der deutschen Filmkritik appelliert an die politischen
Repräsentanten aller Parteien, insbesondere an die
Kulturstaatsministerin, Maßnahmen gegen diese nicht hinnehmbare Praxis
der Knebelung und Manipulation der Arbeit der Presse zu ergreifen.

Der Verband der deutschen Filmkritik fordert die Filmverleihe auf, von solchen Maßnahmen grundsätzlich Abstand zu nehmen.

Saarbrücken, 21.6.2005

Verband der deutschen Filmkritik

der Vorstand: Dr. Andrea Dittgen, Wolfgang Hamdorf, Dr. Josef Schnelle, Rüdiger Suchsland, Rudolf Worschech

—- Ende der Pressemitteilung —-

* Von mir wird es keine Filmkritik zu „Krieg der Welten“ geben.

Material:

Im Wortlaut:

Die Bedingungen zum Einlass für die Pressevorführungen von „Krieg der Welten“

am
14. Juni 2005 in Berlin (Originalfassung des Films) sowie am 27. Juni
2005 in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München (deutsche Fassung).

Einlass
zur Pressevorführung gibt es nur gegen Vorlage dieser Einladung. Diese
gilt nur für eine Person und ist nicht übertragbar. Bringen Sie bitte
Ihren Ausweis mit. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass aus gegebenem
Anlass Sicherheitskontrollen durchgeführt werden. Daher die Bitte an
Sie, dass Sie mindestens 30 Minuten vor Beginn erscheinen. Rucksäcke,
Mäntel, Jacken, Hüte, Handtaschen, und alle technischen Geräte – auch
Mobiltelefone – müssen an der bewachten Garderobe abgegeben werden.
Ausnahmen sind nicht möglich. Wir danken für Ihr Verständnis.

Die
Möglichkeit der Teilnahme an der Pressevorführung von „Krieg der
Welten“ wird Ihnen unter der Bedingung eingeräumt, dass Sie vor dem 29.
Juni 2005 keine Kritik o. ä. betreffend „Krieg der Welten
veröffentlichen. Falls Sie zur Erfüllung dieser Bedingung nicht in der
Lage oder dazu nicht bereit sein sollten, bitten wir Sie, von der
Einladung keinen Gebrauch zu machen.

Ich bin mit dieser Bedingung einverstanden.

Name, Unterschrift“

Hier habe ich einen Scan des „Beipackzettels“ hochgeladen. In dem Forum
kann auch über die fragwürdige Praxis der Sperrfristen, die nicht erst
seit „Krieg der Welten“ existiert, diskutiert werden. Darüber hinaus
hat Karsten Hertrich (Autor im Simulationsraum) auch eine kleine
Presseschau
zum Thema erstellt.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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6 Antworten zu Protest gegen das Verhalten des Filmverleihs bei „Krieg der Welten“

  1. EvaS sagt:

    Da macht man sich schon Gedanken über die Qualität des Films, wenn der Verleih solche Angst vor (vorzeitigen) Besprechungen hat. 🙂

  2. Kasi sagt:

    Es wird dabei spannend sein, zu beobachten, welche Vermischungen bei der Sichtung stattfinden. Das gelte, wenn man sich denn noch den Film anschauen mag.

    Nachdem ich inzwischen den (Gott, war ich enttäuscht) Trailer kenne, habe ich kaum Hoffnungen, dass sich der Film aus dem ganzen Schlamassel irgendwie rausretten kann. Mag aber auch sein, dass dieses mit dem Film grad angefangen hat.

  3. Stefan sagt:

    Durch die freche Maulkorb-Politik des Verleihers wird es nicht möglich sein, die Zuschauer vor dem Film zu warnen – selbst wenn er schlecht ist. Das genau ist ja das Ziel solcher Aktionen: Verhindern, dass irgendwer aufgrund eines Verrisses nicht sein Geld bei Spielberg und Cruise abliefert.

  4. Kasi sagt:

    Dies setzt natürlich ein großes Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der Filmkritik voraus. Auch seitens der Verleiher – was mich wundert und skeptisch werden lässt.

  5. Stefan sagt:

    naja, eigentlich wollen die Verleiher die Presse ja in ihre PR-Maßnahmen einspannen mit solchen Aktionen, befürchte aber – mangels effektiver Kontrolle – dass „bad news“ eben doch auch „bad news“ sein könnten.

  6. Kasi sagt:

    Angesichts der Allgegenwärtigkeit des Marketings (und gleichzeitig die fast gänzliche Abwesenheit des Films selbst) schon abseits des Diskurses der Filmkritik schockiert es mich, wie absolut der Kontrollanspruch ist, dass er auch das letzte nicht unkontrolliert lassen will. Ich hab das ja bisher in meinem Kopf nicht übereingekriegt; im Begriff der totalen Kontrolle – und nur so – schaffe ich es dann doch.

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