»Dieses Haus hat seinen ganz eigenen Charme.«

The Amityville Horror (USA 1979, Stuart Rosenberg) (VHS)

Als Vorbereitung auf die Pressevorführung des Remakes (übernächste
Woche), habe ich mir gestern im Kölner „Video Taxi“ (ehem.
„Videomarkt“) das VHS-Tape des Originals ausgeliehen. Der Film war in
jeder Hinsicht völlig miserabel.

Durchexerziert wird die seit Ewigkeiten bekannte Geschichte des
verwunschenen Hauses: Im Örtchen Amityville (Long Island) wird eine
Familie in einer Nacht ermordet. Einen Monat später zieht eine andere
Familie in das Haus, die jedoch schon bald von mysteriösen
Geschehnissen wieder daraus vertrieben wird. Angeblich steht das Haus
auf dem Platz, auf dem ein berüchtigter Hexenmeister aus Salem einst
sein Domizil hatte – zudem befand sich im Keller des Hauses ein
Folterkabinett.

Weder großartige Spannung noch Grusel hat der vorhersehbare Streifen zu
bieten. Zudem scheint sich eine Übertragungssituation eingebürgert zu
haben, die jedes Horrorhouse-Filmchen bringen muss: Das Böse des Hauses
färbt zunächst auf die Elter ab, die sich dann fremd werden und
schließlich Aggressionen gegeneinander und gegen die Kinder entwickeln
(siehe meinen Eintrag zu „Burnt Offerings„).
Damit wird die Gruselgeschichte dann jedesmal als Parabel auf
Sexualität, Entfremdung und andere zwischenmenschliche Dramen lesbar –
treu dem Motto „Die Angst, die ein Film abbildet, muss für den
Zuschauer wiedererkennbar sein.“

Die Langweiligkeit seiner Erzählung und Inszenierung entschuldigt
„Amityville Horror“ damit, dass er auf einem authentischen Fall beruht:
Am 13.11.1974 ist in besagtem Haus in besagter Stadt tatsächlich ein
Massenmord an einer Familie passiert. Die Familie Lutz, die danach in
das Haus eingezogen ist, hat angeblich wirklich das, was da im Film
gezeigt wird, erlebt. Seither zehren die Lutzes offenbar nicht wenigt
am Merchandizing der Sache.

Nun ja, ich bin gespannt, ob das Remake der Authentizität des Stoffs
ebensoviel Raum in der Darstellung einräumt oder ob – wie in einigen
der Sequels des Originals – der Grusel mehr zur Geltung kommt.

Auf einzelne analytische Aspkete des Films und des Sujets gehe ich
nicht näher ein, weil folgender Artikel eigentlich eine fast
erschöpfende Auskunft dazu gibt:

Detlef Klewer: Geh nicht in das alte dunkle Haus. Eine kleine
Häusergeschichte des phantastischen Films. In: Moviestar Nr. 6,
Mai/Juni 1997 (28/29), S. 48-62.

Hier noch ein paar Links zur Truecrime-Thema:

http://www.crimelibrary.com/classics3/amityville/
http://www.amityvillemurders.com/
http://www.amityvillehorrortruth.com/

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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5 Antworten zu »Dieses Haus hat seinen ganz eigenen Charme.«

  1. EvaS sagt:

    Vielen Dank für die Infos! Ich habe weder den Film gesehen noch von dem zugrunde liegenden Fall etwas gewusst. Aber ganz allgemein hat mich das auf den Gedanken gebracht, dass man grundsätzlich zwischen zwei Typen von Horrorfilmen unterscheiden kann, abhängig von der jeweils dominierenden Erzählperspektive. In die erstere Kategorie würden dann die Filme fallen, die den Täter in den Mittelpunkt stellen und die Zuschauer in seine (perverse) Gedankenwelt einführen. In die zweite kommen dann die Filme, die, wie offensichtlich „The Amityville Horror“, sich hauptsächlich auf die Leiden der Opfer konzentrieren und uns über die genaue Identität des Täters überhaupt im Unklaren lassen können. Es gibt natürlich auch Mischtypen (z. B. „Saw“ ), aber ich würde doch von der ursprünglichen Dichotomie ausgehen, da sie für mich einen archetypischen Charakter aufweist und der Grundaufteilung des Lustprinzips in eine aktive und eine passive Komponente entspricht. Der Täter ist derjenige, der (mit Messer, Spritze oder Kettensäge) eindringt und verletzt. Das Opfer muss dagegen dem Eingreifer diverse Hindernisse bieten, die zu überwinden gilt, bevor die Tat vollzogen werden kann. Daher auch die (Über)Inszenierung des Hauses als Objekt des Begehrens des Bösen, das von dem Täter (in welcher Gestalt auch immer) erstmal beherrscht werden muss, bevor die „menschlichen“ Opfer dran sind. Ich finde, der Zuschauer muss ein bisschen Spaß an diesem (erotischen) Spiel haben. Vorausgesetzt natürlich – die Macher tun etwas dafür. 🙂

  2. Stefan sagt:

    Einmal abgesehen von Amityville: Diese Mischtypen, von denen du sprichst, werden zusehends populärer – vor allem, wenn die Hybridität auf der Verunsicherung der Zuschauerposition basiert, wie etwa bei „High Tension“ oder „Aro Tolbukhin“. Die ursprüngliche Dichotomie basiert(e) meines Erachtens vor allem darauf, dass man dem Film „Objektivität in der Berichterstattung“ selbst in Fiktionen zugesteht/-stand. Insofern sind alle Formen der ironischen Brechung der Perspektive eigentlich zu begrüßen, weil Sie den Zuschauer nicht mehr unterfordern oder sogar zum Opfer von Simulationen machen.

  3. EvaS sagt:

    Habe auch gerade diesen Film gesehen (auch im Rahmen der Vorbereitung:-)). Jetzt denke ich: Das Haus war einfach nicht renoviert. Kein Wunder also, wenn man dort Depressionen bekommt. 🙂 🙂

    Nur habe ich nicht verstanden, warum das Foto von George in der Zeitung stand? Hast du es mitbekommen?

  4. Stefan sagt:

    Das sollte wohl suggerieren, wie ähnlich der damalige Hausherr dem neuen Hausherr ist. Inwieweit das authentisch ist (in dem Sinne, dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht), weiß ich nicht – es ist aber nicht unüblich, dass das verwunschene Haus Charaktere „produziert“, die einander ähneln: Siehe „The Shining“.

  5. EvaS sagt:

    War das also gar nicht George selbst, sondern sein Doppelgänger? Ich habe mich am Anfang schon gewundert, dass er dem realen Amityville-Mörder so ähnlich sieht (vor allem des Bartes wegen). Aber der war doch ein Zwanzigjähriger! Das haben sie im Film, glaube ich, auch beibehalten. Sein „Nachfolger“ war aber schon deutlich über 20. 🙂 Und das hat mich wohl irritiert.

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