Primary (USA 1960, Robert Drew) (DVD)
Der erste Film, der im Rahmen des Hauptseminars „Authentizität und Simulation im Film“ gesehen wurde, war zugleich das Initialwerk des amerikanischen direct cinema. Regisseur Drew verfolgt mit einer portablem Kamera die Vorwahlen der demokratischen Senatoren John F. Kennedy und Hubert Humphrey. Allein die Quantität, mit der Drew Kennedy ins Bild rückt, zeigt schon dessen Voreingenommenheit – oder ist es vielleicht so, dass sich der wesentlich weniger Medien-affine Humphrey einfach nur schlechter als Gegenstand eines Films eignete und Drew dessen mangelhafter Eingen-PR durch geringere Anwesenheit in seinem Film Ausdruck verliehen hat.

(Robert Drew)
Im Seminar ergibt sich eine spannende Diskussion um die Fragen der Unvoreingenommenheit und Realitäts-Nähe des Drew’schen Films – im Vergleich zu einer vergangene Woche gesehen Folge der Serie „Stromberg“. Ich meine ja, dass zunächst vor allem das Vorwissen des Zuschauers zu unterscheiden hilft, welcher der beiden Beiträge „dokumentarisch“ ist. „Ehrlicher“ scheint mir „Stromberg“, weil er in der parabelhaften Überladung des Büroalltags doch eine Menge Wahrheiten transportiert, die bei Drew hinter all den wirklichkeitsheischenden Authentisierungsstrategien kaum erkennbar wären. Oder, um es mit Godard zu sagen: „Es nützt nichts, ein scharfes Bild zu haben, wenn die Intentionen unscharf sind. Übrigens, sein Mangel an Subjektivität führt Leacock schließlich zu mangelnder Objektivität.“ (Leacock hat bei „Primary“ hinter der Kamera gestanden, später aber auch selbst bei direct-cinema-Filmen Regie geführt.)



