Ein Mann jagt rot(e Drachen)

Manhunter (USA 1986, Michael Mann) (DVD)
Red Dragon (USA 2002, Brett Ratner) (DVD)

Beim vergleich zweier filmischer Literaturadaptionen liegt es nahe, das Buch zum "tertium comparationis" zu machen.

 

In diesem Fall wäre "Manhunter" der zweiten Version eindeutig unterlegen. Aber neben den katastrophalen Auslassungen (gerade die Figur Hannibal Lecter/Lecktor und ihre Motivation betreffend) sind es vor allem einige nicht ausgeführte Plot-Ansätze in Michael Manns Film, die diesen etwas fahrig erscheinen lassen. Dem gegenüber steht nicht nur ein kaum zu leugnender "Wille zum Stil", der sich vor allem auf die Darstellung der Handlungsräume bezieht, sondern auch die Tatsache, dass "Manhunter" eben eindeutig ein Kind seiner Zeit ist. Aus der Distanz von 20 Jahren wirkt dieSichtung wie eine Zeitreise in eine Epoche voller Pastellfarben und steriler Synthie-Musik (selbst Kitaro klingt mit diesen Bildern wie Jan Hammer). Daneben scheint die Wahl der Darsteller auch vergagenen Anforderungen geschuldet. Die Ermittler-Figur wirkt wie ein Abguss seiner Kollegen aus "Miani Vice" und der inhaftierte Lecktor wie einer jener von den Medien heraufbeschworenen "Punks", die mit dem eigentlichen Phänomen nix zu tun hatten. Spannung kommt da – zumindest bei mir – gar keine auf.

"Red Dragon" geht die Sache schon anders an, wenngleich dem Film eine eigene Handschrift fast völlig fehlt. Hier ist es die Nähe zur literarischen Vorlage und die dadurch bedingte lückenlos-dichte Story, die mich für einnehmen. Überhaupt halte ich "Red Dragon" für den gelungensten Teil der Trilogie (bzw. Tetralogie). Die hautnah erzählte Psychose des Serienmörders und die verzweifelte Souveränität des Ermittlers tragen die gesamte Erzählung. Letzerer wirkt, obgleich er ebenso "jugendlich" daherkommt wie sein Pendant bei "Manhunter" wesentlich authentischer, weil er das "Problem", dass er sich in die Täterpsyche eindenkt, nicht so stark überspielt und wie eine Attitüde vor sich herträgt wie sein Vorgänger. Die schauspielerischen Darbeitungen – ist das auch eine Frage des Epochenstils? – liegen in "Red Dragon" Dimensionen über denen von "Manhunter". Man muss nicht einmal Anthony Hopkins herbei zitieren, gegen den Brian Cox vollständig zum Nichts verblasst; nein, es ist vor allem Ralph Fiennes, der eine brillante Leistung abliefert.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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5 Antworten zu Ein Mann jagt rot(e Drachen)

  1. Oliver sagt:

    Hmm, ich kenne RED DRAGON immer noch nicht, finde zum Beispiel aber Brian Cox in MANHUNTER wesentlich faszinierender als den nervend überagierenden Anthony Hopkins …

  2. Stefan sagt:

    Aber Hopkins besticht doch im Lämmer-Film gerade durch Underacting. Für Hannibal gebe ich dir jedenfalls Recht … nur, ob Cox da mit seinem Motoradrocker-Image besser gepasst hätte, ist fraglich. Man hätte das dritte Buch nie verfilmen, ach was: nie schreiben dürfen.

  3. Karsten sagt:

    Passende Neuigkeiten: „Hannibal Lecter kehrt zurück. Am 5. Dezember wird in den USA ein neues Buch von Thomas Harris erscheinen. „Hannibal Rising“ erzählt, was der spätere Psychiater in jungen Jahren erlebte.“

    via:
    http://www.welt.de/data/2006/09/20/1043891.html

  4. Stefan sagt:

    Danke für den Tipp! Ist ja interessant, wie Harris auf die Popularität der einstigen „Nebenfigur“ reagiert.

  5. Oliver sagt:

    Ich habe keinen der Harris-Romane gelesen, insofern kann ich dazu keine Stellung beziehen. Mir hat Cox gerade deshalb gut gefallen, weil in den fünf MANHUNTER-Minuten nichts von der Bedrohung, die von ihm ausgeht, eminent wird.
    Trotzdem hat er es getan. Da kommt der Lämmer-Hannibal schon ein bisschen Geisterbahn-hafter rüber, wenn er über menschliche Leber mit Chianti die Zähne blecken darf. Vielleicht rede ich mir MANHUNTER auch einfach zu schön: Den habe ich jetzt auch schon ein paar Jährchen nicht mehr geguckt. Dass Cox ein Motorradrocker-Image hat, kann ich jetzt nicht unterzeichnen, wohl aber würde ich zugeben, dass er heute, aufgedunsen wie er mittlerweile ist, nicht mehr zum Hannibal taugt.

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