Vom 6. bis 8. Oktober veranstaltet das Insitut für Germanistik der Uni Bonn einen Tagung zum Thema "Gerüchte". Hier die näheren Angaben:
6.-8. Oktober 2006, Universität Bonn
Tagung des Instituts für Germanistik, Vergleichende Literatur- und
Kulturwissenschaft in Verbindung mit dem Zentrum für
Kulturwissenschaft/Cultural Studies
"Es hat sich herumgesprochen": Gerüchte sind Nachrichten und Geschichten vom Hörensagen. Was Gerüchte als solche kennzeichnet, ist nicht in erster Linie ihr Inhalt, sondern die Form ihrer Weitergabe. Schon die wohl älteste Figur des Gerüchts, seine mythologische Verkörperung als Fama, bezieht sich weniger auf die Botschaften selbst als auf die Mittel und Wege, derer sich Fama bedient, um etwas zu verbreiten.
Der Resonanzraum der Fama beschränkt sich nicht auf mündliche Kommunikation. Gerade die Tendenz moderner Gesellschaften, alles zu archivieren und als technisch vermittelte Information bereitzuhalten, kommt der Wirkungsmacht der Fama entgegen. Sie sorgt einerseits für die schnelle Verfertigung von Mitteilungen, versieht diese aber gleichzeitig mit dem Vorbehalt des Vorläufigen, Provisorischen, Ungesicherten. Die Besonderheit der Gerüchtekommunikation, Beschleunigung mit Vorläufigkeit zu verbinden, wird in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen genutzt – auch in solchen, die besonders auf die Zuverlässigkeit ihrer Informationen angewiesen sind (in der Wirtschaft: die Börse; in der Politik: die 'gut unterrichteten Kreise'; im Nachrichtenwesen: die Agenturen).Die Tagung nimmt die Figur der Famazum Ausgangspunkt, um Wissenschaftler/-innen verschiedener Disziplinen über die "Kommunikation" der Gerüchte ins Gespräch zu bringen: über die Geschichte und Geschichten der Fama, über ihre Medien und Rhetoriken, über die Logik der Ausbreitung von Gerüchten und die Versuche, diese Logik zu modellieren. Gefragt wird in Sektion I nach den kulturellen Kategorien, die auf Formbildungen des Gerüchts Einfluss haben, nach den Agenten der Gerüchtekommunikation sowie nach Handlungs- und Erzähltypen. Lässt sich etwa eine Poetik der Schnelligkeit rekonstruieren, die über eine Beschreibung von Famain der ikonographischen Tradition hinaus geht?
Sektion II widmet sich dem Verhältnis von Nachricht und Gerücht, der Konkurrenz zwischen den 'offiziellen' Versionen einer Geschichte und den 'inoffiziellen' Gerüchten. Wie wird diese Unterscheidung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern prozessiert und produktiv gemacht? Welche medienspezifischen Verfahren lassen im Vergleich von Internet, Fernsehen und Film beobachten?Fama operiert mit einem Modell von Ausbreitung, das als Chiffre für die Distribution von Mitteilungen gerade in der globalen 'Informationsgesellschaft' gelten kann: alinear, metamorphotisch, infizierend. Sektion III untersucht die Analogie von Gerüchtekommunikation und epidemischer Ausbreitung, die nicht nur in der Alltagssprache zu beobachten ist. Sie ist auch in wissenschaftlichen Modellen und literarischen Schreibweisen am Werk, die der nur schwer einzudämmenden 'Übertragung' unbestätigter Nachrichten eine Logik der 'Ansteckung'unterstellen.
Programm
Mittwoch, 4.10.2006: Sektion I: Medien und Rhetoriken des Gerüchts
13.30 Begrüßung (Jürgen Fohrmann)
13.45 Einführung (Jürgen Brokoff)
14.00 Dorothee Gall: Monstrum horrendum, ingens – antike Konzeptionen von Fama
15.00 Albrecht Koschorke: Das Volk als Gerücht. Zur Labilität souveräner Herrschaft im Drama des 17. Jahrhunderts
16.00 Kaffeepause
16.30 Natalie Binczek: Vom Hörensagen’. Erzählräume des Gerüchts am Beispiel von Thomas Bernhards „Das Kalkwerk“
17.30 Daniela Gretz: Antisemitismus als Gerücht über die Juden. Will Eisners „Wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion“
Donnerstag, 5.10.2006: Sektion II: Die Nachricht des Gerüchts und ihre Felder
9.15 Einführung (Hedwig Pompe)
9.30 Irmela Schneider: Parasitäre Relationen – Gerücht und Nachricht. Zur Theorie des Nachrichtenwerts im 20. Jahrhundert
10.30 Kaffeepause
11.00 Hans-Joachim Neubauer: Quasi Fakten – Mediale Strategien im Umgang mit Gerüchten12.00 Birger Priddat Märkte und Gerüchte
13.00 Mittagspause
14.30 Claus Leggewie/Mathias Mertens: Famanet: Das Internet als politische Gerüchteküche
15.30 Kaffeepause
16.00 Birgit Althans: Wer kolportiert? Geschlechtertransformationen in der aktuellen Präsentation von politischen Talkshows und ihre historischen Wurzeln
17.00 Lorenz Engell: Film und Fama – Citizen Kane
Freitag, 6.10.2006: Sektion III: Epidemische Ausbreitung: Kommunikation und Kontamination
9.15 Einführung (Brigitte Weingart)
9.30 Rembert Hüser: Gerücht kam in die Küche
10.30 Kaffeepause
11.00 Olaf Briese: „Gerüchte als Ansteckung“. Grenzen und Leistungen eines Kompositums
12.00 Mittagspause
13.00 Sylvia Sasse: Die Unaufhaltbarkeit des Gerüchts. Zur Politik und Poetik des Weitersagens bei Danilo Kis
14.00 Brigitte Weingart: Gerücht – Übertragung – „Contagion mentale“
15.00 Abschlussdiskussion
Veranstaltungsort:
Universitätsclub der Universität Bonn
Konviktstraße 9, 53113 Bonn
Telefon: 0228-72960
Veranstalter & Kontakt: Dr. Jürgen Brokoff, Prof. Dr. Jürgen Fohrmann, Dr. Hedwig Pompe, Dr. Brigitte Weingart
Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft
in Verbindung mit dem Zentrum für Kulturwissenschaft/Cultural Studies
Universität Bonn
Am Hof 1d, 53113 Bonn
Tel.: 0228-737478
fama@uni-bonn.de
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