Big Brother is killing you.

Brother (Japa/UK/USA 2000, Takeshi Kitan) (DVD)

Bislang kannte ich ja nur "Sonatine" von Kitano und seinen Auftritt in "Battle Royale". Nch "Takeshis'" will ich mich jetzt mal eingehender mit seinen Filmen befassen und denke, "Brother" war da ein guter Anfang.

Die Lakonie und Gleichgültigkeit, mit der der Film über das Leben, Sterben und den Prozess, der vom einen zum anderen führt, spricht, ist schon sehr bemerkenswert. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der der große Bruder seine Heimat Japan verlässt, versucht er diese in der Fremde zu restituieren. Das Ergebnis scheint ihn nicht zu interessieren – allein der Prozess ist es, für den er lebt. Als im Finale keine Handlungs- bzw. Entwicklungsmöglichkeiten mehr für ihn bestehen, ist es ihm schließlich sogar gleichgültig, ob er als Sieger oder Verlierer aus dem Spiel hervorgeht. Die Gewalt, die bis dahin "Mittel zum Zweck" für ihn zu sein schien, wird nun als sein fundamentales Existenzprinzip erklärt, dem er sich auch selbst zu opfern hat. Ohne die Traurigkeit, die Kitanos halbseitig gelähmtes Gesicht beständig ausstrahlt, wäre der Film so wohl nicht möglich (und so großartig) geworden.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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5 Antworten zu Big Brother is killing you.

  1. rzr sagt:

    Es lohnt sich durchaus den japanischen Vorzeige-Regisseur etwas näher anzuschauen. Dolls hat mich eine Zeit lang nicht mehr losgelassen, ganz zu schweigen von Hana-bi.

  2. sp sagt:

    von kitano noch nichts gesehen? ich bitte sie, herr filmkritiker. und nicht mit brother starten. und dolls ist auch schnulli. erst japan, dann hollywood. danke.

  3. Stefan sagt:

    @sp: Chronologie ist beim Sehen völlig irrelevant – zumindest, wenn man in der Lage ist, die Produktionsjahreszahlen hinterher in die richtige Reihenfolge zu bringen. 😉 Dein zweiter Ratschlag kommt auch zu spät: In Hollywood war ich schon – in Japan noch nicht.

  4. sp sagt:

    chronologie ist meiner meinung nach nicht irrelevant, da jeder beim sehen der filme auch einen prozess durchläuft, der über die länge einer dvd hinausreicht. auch wenn man ein geübter seher ist, kann es hilfreich sein, sich filme bewusst in einer (bsplsw. auch umgekehrt) chronologischen reihenfolge anzusehen. insbesondere wenn mal die wahl hat.
    desweiteren gibt es auch so etwas wie einen prägenden moment, den ich nicht einfach abstreiten würde. beim ersten sehen eines filmes eines bestimmten regisseurs zieht der kritische filmbetrachter doch schnell weitgreifende schlüsse. darauf bezog sich mein zweiter kommentar. die frühen „japanischen“ filme kitanos lassen sehr gut erkennen, was ihn von anderen radikal unterscheidet. die späteren „hollywoodisierten“ kostümfilme, sind für das amerikanische und eropäische box office sicher interessanter, zeigen aber nicht mehr den takeshi, der für das jap. kino eine enorm wichtige rolle gespielt hat. (über „takeshis castle“ spreche ich hier noch gar nicht 🙂 )
    von „brother“ rückwärts zu gehen, kann also sicher nicht zu schlecht sein.

    abschließend möchte ich noch meinen zynisch-provokanten ton aus dem ersten kommentar entschuldigen. ich halte sehr viel von dieser seite und ihren rezensionen. danke.

  5. Stefan sagt:

    Ach, das hab ich dir nicht übel genommen (wenn mir auch kurz durch den Kopf geschossen ist, dass vielleicht diese Haltung in deinem ersten Posting der Grund dafür gewesen sein mag, dass ich so lange keinen Zugang zum asiatischen – v.a. japanischen – Kino gefunden habe: diese Art blind-wütig-en Hypes, dioe du ja jetzt relativiert hast).

    Das, was du über die Chronologie sagst, ist alles richtig und auch der Gedanke mit dem „prägenden Moment“ ist sehr schön. Letzterer mag vielleicht sogar der Grund dafür gewesen sein, dass ich mir auf dem Filmfest München „Takeshis'“ überhaupt angesehen habe – hätte ich zuerst „Brother“ und nicht erst „Sonatine“ gesehen, hätte ich mich wohl längere Zeit nicht vorsätzlich mit Kitano beschäftigen wollen. Das verspielte Vorgehen hat mich jedoch sehr gelockt.

    Aber ich selbst schreibe und denke über Film ja auch einer gewissen „deformation professionelle“, d.h., ich versuche solche „Vorurteile“ und Mechanismen auch immer zu erkennen, zu transzendieren und über einen Film hinausgehen Schlüsse auf andere Filme zu vermeiden. Das ist ja der Grund, warum ich mir etwa nach „Funny Games“ noch andere Haneke-Filme angesehen habe (und einige davon sogar zu meinen Lieblingsfilmen zähle) oder warum ich mir „trotzdem“ immer wieder jeden neuen Oliver-Stone-Film anschaue.

    Dass ich vor kurzem „Takeshis'“ gesehen habe, verstehe ich sozusagen als Anstoß für die Auseinandersetzung, weil darin ja gerade beide Kitano-Figuren (im Wortsinne) „gegeneinander ausgespielt“ werden und mich das neugierig auf den Yakuza/Cop-Kitano gemacht hat. Ich war dann ganz froh, dass diese Figur doch mit wesentlich mehr Leben und metaphysischer Tiefe gefüllt war als es seine (lächerliche!) Darstellung in „Battle Royale“ befürchten ließ. Insofern werde ich mich jetzt im Werk Kitanos in beide Richtungen bewegen und bin stetig gespannt, was mich erwartet. Die Möglichkeit der Chronologie habe ich mir ja ohnehin schon versaut.

    Als nächstes steht definitiv noch mal „Hana-Bi“ auf dem Spielplan.

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