Simulationstheorie und Film

Ein Versuch, die Theorien Jean Baudrillards für die Filmwissenschaft fruchtbar zu machen.

„Das Fernsehbild ist schneller als eine Kugel.“
(Emir Kusturica)

Das Verhältnis von Medien und Realität ist ein zentrales Thema der Medien- und Kulturwissenschaften. Ihre Forschungsperspektiven und methodischen Ansätze sind vielfältig:

  • Ein Bereich widmet sich ästhetischen Fragestellungen nach den Verfahren der Realitätsdarstellung in den Medien. Hier wäre zum Beispiel die Dokumentarfilm-Theorie zu nennen.
  • Sozial- und mentalitätsgeschichtlich werden auf einem anderen Gebiet die Widerspiegelung gesellschaftlicher Zustände in den Medien untersucht, das Medium und seine Botschaft mithin als historische Quelle gesehen. Diesen Ansatz verfolgt die soziologische Filmwissenschaft seit Siegfried Kracauer.
  • Ein dritter Bereich untersucht die Einfluss-Mechanismen und Auswirkungen von Medieninhalten auf den Mediennutzer. Diese Forschungsfelder werden unter dem Sammelbegriff der Medienwirkungsforschung subsummiert und rekrutieren sich aus der Medien-Soziologie, -Psychologie und -Pädagogik.
  • Und schließlich widmet sich eine Disziplin dem Einfluss der Medieninhalte auf unsere Realitätswahrnehmung. Hier setzt insbesondere die Medientheorie und -philosophie an.

Die Heterogenität der Forschungsansätze und Methoden führt es mit sich, dass zwar alle genannten Disziplinen dasselbe Phänomen untersuchen, die einzelnen Ergebnisse jedoch disparat bleiben. Jede der Fragestellungen hat eine eigene Tradition innerhalb der Medien-, Sozial- und Kulturwissenschaften und wird zu einem anderen Zweck verfolgt. Eine umfassende Perspektive auf die »Schnittstelle Medien/Realität« existierte jedoch bislang kaum. Multimethodische und transdisziplinäre Ansätze entstehen erstmals mit der Neubestimmung der Geisteswissenschaften als historische Kulturwissenschaften und der Einbeziehung der Medien in das Archiv kulturhistorischer Quellen.

Daher werde ich Teilaspekte der einzelnen Perspektiven unter drei zentralen Fragestellungen zusammenführen:

  1. Auf welche Weise simulieren die Medien Realität?
  2. Welchen Stellenwert hat dabei der Film?
  3. Wie sind die Ästhetiken fundiert, die diese mediale Realitätssimulation ermöglichen?

Als theoretisches Fundament soll die postmoderne Medientheorie des französischen Philosophen und Soziologen Jean Baudrillards hinzugezogen werden, der als „distanzierte[r] Diagnostiker der modernen Massen- und Mediengesellschaft“ (1) weit reichende Analysen an der oben genannten »Schnittstelle« vorgenommen hat.

Trotz der vielfältigen Schwierigkeiten, die Baudrillards Überlegungen der Forschung bereiten, zeichnen sie ein komplexes Bild der gegenseitigen Einflussnahme, da sie eine gleichsam medientheoretische wie soziologische Perspektive einzunehmen versuchen.

1. Die Medientheorie Jean Baudrillards

Im Folgenden werde ich die Simulationstheorie Baudrillards innerhalb der Medien- und Filmtheorie lokalisieren und deren Bezüge und Einflüsse nachzeichnen. Inhalt und Gegenstand von Baudrillards Gedanken werden sich dabei aus der Diskussion seiner Thesen ableiten. Eine solche »umkreisende« Annäherung an den Gegenstand versucht vor allem, der oftmals monierten „Referenzlosigkeit“ (2) der Simulationstheorie zu begegnen.

Indem ich die Simulationstheorie dennoch an den wissenschaftlichen Diskurs zurück binde, benenne ich implizit auch deren (ideologische) Quellen. Darüber hinaus kann mit diesem Vorgehen einer wichtigen Konsequenz der Simulationstheorie – der Unmöglichkeit objektivierender Lektüre – Rechnung getragen werden und gleichzeitig die Baudrillard’sche Theorie auf sich selbst angewendet werden.

Baudrillard als Medientheoretiker

Der Typus Theorie, den Jean Baudrillard entwirft, situiert sich zwischen Medientheorie, Soziologie und politischer Ökonomie (3). Paradigmatisch sind für ihn dabei die Analysen der postmodernen Philosophie. In seinem wichtigsten Theorem, dem der Simulation, beschreibt er die durch Medien induzierten gesellschaftlichen Zustände des 20. Jahrhunderts und zeichnet die Historie eines solcherlei beeinflussten gesellschaftlichen Wandels von der Renaissance bis heute nach. Die Gesellschaft in der „Simulationsmoderne“ (4) sieht er vollständig von den Medien beeinflusst und abhängig: „Everywhere socialization is measured by the exposure to media messages. Whoever is underexposed to media is desocialized or virtually asocial.“ (5)

Die Konsequenz seiner Sichtweise auf dieses Verhältnis kulminiert schließlich in der Feststellung, dass soziale Ereignisse nur noch durch Medien initiiert und von diesen gespiegelt werden. Das Ergebnis sei eine von Medien produzierte Hyperrealität, in der zwischen authentischen und simulierten Ereignissen nicht mehr unterschieden werden könne – ja, auf Grund der Referenzlosigkeit medialer Zeichen eine derartige Zuschreibung sogar völlig sinnlos sei. Das Kausalitätsprinzip sei damit aufgehoben und somit die Historie an ihr Ende gelangt. (6) Baudrillard vergleicht diesen Zustand mit dem physikalischen Doppler-Effekt:

„[…] in der Geschichte finden wir ihn wieder, wo ein Ereignis und seine Verbreitung in den Medien zu dicht auf einander folgen, zu nah sind und sich daher unglücklich überlagern. Hier gibt es gleichsam einen Kurzschluß zwischen Ursache und Wirkung oder zwischen Objekt und experimentierendem Subjekt im mikrophysikalischen Versuch […]. All das führt eine Unschärferelation, ein Prinzip radikaler Ungewißheit ein, was die Wahrheit, ja die Realität des Ereignisses betrifft.“ (7)

Diese Ununterscheidbarkeit zwischen (historischem) Faktum und (medialer) Simulation mündet nach Michael Wetzel schließlich in den vollständigen Verlust des Zugangs zu einer konkret erfahrbaren Wirklichkeit:

„Die Welt wird zum Anlaß ihrer photographischen und filmischen Reproduktion, und die Bilder aus aller Welt ersetzen das Weltbild. Man könnte sagen: Das Bildsein gewinnt ontologischen Vorrang vor dem Sein. Neue Medien und Computertechnologien haben uns in diese Zone der Indifferenz von Sein und Schein, Wirklichkeit und Bild katapultiert. Die Welt der Simulakra absorbiert den Schein und liquidiert das Reale.“ (8)

Den audiovisuellen Medien kommt bei Baudrillard in Hinblick auf ihre gesellschaftsverändernde und realitätskonstituierende Wirkung besondere Bedeutung zu: In der für die Simulationstheorie zentralen Schrift DIE AGONIE DES REALEN (9) und später in DIE ILLUSION UND DIE VIRTUALITÄT (10) ist es das Fernsehen, dessen ontologischen Status Baudrillard untersucht. Im Aufsatz VIDEOWELT UND FRAKTALES SUBJEKT (11) konzentriert er sich auf Konservierungsmedien wie das Video. Und in der Essay-Sammlung SIMULACRA AND SIMULATIONS (12) nimmt er das Kino (bzw. den Kinofilm) zum Anlass und Gegenstand seiner Auseinandersetzung mit der Simulationsgesellschaft. Diese Massenmedien formen nach Baudrillard die Modelle denen Wirklichkeit folgt: „Vor allem die modernen Medien haben jedem Ereignis, jeder Erzählung und jedem Bild einen Simulationsraum mit grenzenloser Flugbahn eröffnet.“ (13)

Hierzu zählt der Film im besonderen Maße, was Baudrillard durch vielfältige Referenzen auf das Kino innerhalb der Simulationstheorie hervorhebt.

Simulationstheorie und Film

Dem Film kommt in der Theoriebildung Baudrillards eine dreifache Rolle zu. Einerseits reflektieren die Erzählungen des Kinos (bzw. einzelner Filme) die Verfassung der Simulationsgesellschaft, wenn er etwa über CHINA SYNDROME (USA 1979) in SIMULACRA AND SIMULATIONS schreibt:

„Strange precession of a film over the real, the most surprising that was given us to witness: the real correspondend point by point to the simulacrum, including the suspended, incomplete character of the catastrophe, which is essential from the point of view of deterrence: the real arranged itself, in the image of the film, to produce a simulation of catastrophe.“ (14)

Hier scheint der Film CHINA SYNDROME der realen (Beinahe)-Atom-Katastrophe in Atomkraftwerk Harrisburg (27./28. März 1979) modellhaft (um nur ein paar Wochen) vorauszugehen. Diese seltsame Kongruenz wird von Baudrillard dabei aber keineswegs dem Zufall oder gar einer Verschwörung zugeschrieben, sondern vielmehr der Tatsache, dass der Realität grundsätzlich ein medialer Subtext unterliegt, in dem alles, was real ist, immer schon medial vorher da war. Der Kausalnexus von post hoc ergo propter hoc greift beim Verhältnis Medium/Realität Baudrillard zufolge nicht mehr. (15)

Angesichts des USA-Irak-Krieges von 1991 und der damit verbundenen Berichterstattung in den Medien (respektive bei CNN) sieht Baudrillard Ähnlichkeiten zum Film CAPRICORN ONE (USA 1978):

„One is reminded of Capricorn One, in which the flight of a manned rocket to Mars, which only took place in a desert studio, was relayed live to all the television stations in the world.“ (16)

Die „Fernsehwahrheiten“, die seinerzeit verbreitet wurden, hatten Baudrillard zufolge den selben ontologischen Status, wie die fingierte Marslandung aus CAPRICORN ONE (17) – in ihrer Eigenschaft als Faktum konnten sie vom Zuschauer nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. Hier dient Film also als Analogie zum Verständnis des Simulationseffektes der Medien.

Die Generierung und der Reflex von Historie ist der dritte Aspekt, unter dem Film in der Theorie Baudrillards bedeutsam wird. In dem Essay GESCHICHTE: EIN RETRO-SCENARIO (18) erläutert er die gegenseitige Beeinflussung von Historie und Kino:

„[Die Objekte sind] in einem Zustand, in dem ein totaler Verlust des Realen sie erfasst zu haben scheint, der nur noch übertroffen wird von all diesen Filmen (historischen Filmen wie – ‚Chinatown’ ausgenommen – ‚Die drei Tage des Condor’, ‚Barry Lyndon’, ‚1900’, ‚Die Männer des Präsidenten’ usw.), deren Perfektheit allein schon Unruhe erweckt. Man hat den Eindruck, es eher mit perfekten Remakes zu tun zu haben, mit erstaunlichen Montagen, die eher einer Kultur der Kombinatorik (oder Kultur des Mosaiks im Sinne MacLuhans) angehören, mit großen Photo , Kino- oder Historiosynthese-Maschinen, als mit wirklichen Filmen.“ (19)

Hier und auch an anderer Stelle (20) wird dem Film gravierende Bedeutung bei der Generierung von Realität zugesprochen, indem er Geschichte inszeniert, sie als kohärenten Handlungsablauf in die Gegenwart projiziert, sie ausstaffiert, um dem Zuschauer ein möglichst authentisches Erlebnis anzubieten, „als ob man dabei gewesen wäre“ (21). Dadurch überlagern die hyperrealistischen Geschichtsbilder mehr und mehr das »reale Bild der Historie« (das natürlich immer schon durch andere Medien generiert wurde).

2. Simulation und Hyperrealität

„Simulation ist jener unwiderstehliche Ablauf, bei dem die Dinge so miteinander verkettet werden, als ob sie einen Sinn hätten, während sie eigentlich nur durch eine künstliche Montage und durch den Unsinn organisiert werden.“ (22) An dieser retrospektiven Definition Baudrillards und an den vorangegangenen Ausführungen zeigt sich bereits, dass mit dem Theorem der Simulation die binären Oppositionen wahr/falsch, sinn/sinnlos, echt/gefälscht, real/imaginär, Original/Kopie oder Ursache/Wirkung einmal mehr überdacht werden müssen. Die Simulationstheorie ist eine Theorie der Gesellschaft und der Wahrnehmung des Individuums.

Die Medien sind es, die die »Realität« erschaffen, allein dadurch, dass sie sie dissimulieren und den Zuschauer glauben lassen, das durch sie Abgebildete existiere. Das Ergebnis ist eine auf die Spitze getriebene Indifferenz zwischen Realität und Simulation, wie wir sie beispielsweise in der Computersimulation finden. Baudrillard hält jedoch bei diesem Schritt noch nicht inne und hypostasiert darüber hinaus eine »Hyperrealität«, in der zuerst das Modell existiert und dann erst das reale Ereignis, welches durch das Modell beschrieben wird.

In den Baudrillard’schen Simulationsgesellschaften ist schließlich alles ein Teil der (medialen) Simulation geworden. Einzig ein sich selbst produzierendes, selbstbezügliches System aus Zeichen ist geblieben, das alles einer totalen Relativität unterwirft. Allerdings kann selbst diese Stufe der Simulation weiterhin reale Auswirkungen haben (als Beispiel hierfür werde ich noch auf die Modellhaftigkeit von Spielfilmen für reale Handlungen der Rezipienten zu sprechen kommen). Mit diesem Verschwinden der Realität einher geht das Verschwinden des Wahrheitsprinzips (23) und damit der Verlust des Unterschiedes zwischen Signifikat und Signifikant. Eine solcherart verformte Realität bezeichnet Baudrillard als »Hyperrealität«.

Die Auswirkungen der Simulation auf die Gesellschaft bezeichnet Baudrillard als „Implosion des Sozialen“ (24) und macht damit die Relevanz der Simulationstheorie jenseits epistemologischer Konsequenzen deutlich – quasi als deren „soziologischen Teil“. Mit ihr beschreibt er die lebensweltlichen Auswirkungen der Indifferenz von Ursache und Wirkung, die sich von den Makrostrukturen (der Gesellschaft) bis in die Mikrostrukturen (der DNA, bei der der Übergang von Materie und Information fließend ist) nachvollziehen lässt.

Durch die Beseitigung des Wahrheitsprinzips sind Realität und Simulation nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Baudrillard sieht dahinter jedoch keinen aktiven Manipulator (25), der über die Medien lediglich »seine« Realität mit politischer Intention zu vermitteln versucht. Vielmehr ist die Simulation omnipräsent und die Macht ist im Gegenteil damit beschäftigt, diese Tatsache zu leugnen und eine Realität zu behaupten, zu »dissimulieren« (26). Diese Macht „existiert demnach nur noch, um zu verschleiern, daß sie nicht mehr existiert.“ (27)

3. Die Prämissen der Simulationstheorie

Baudrillard gründet seine Überlegungen auf drei theoretischen Prämissen: Der Theorie der Kunst-Reproduktion von Walter Benjamin, der Theorie der Medien von Marshall McLuhan und der Theorie der referenzlosen Zeichen von Jacques Derrida. Eine Auseinandersetzung mit Benjamin (28) und McLuhan findet in Baudrillards Simulationstheorie explizit statt, während seine Annahme der »referenzlosen Zeichen« (Simulakra) implizit das differánce-Theorem Derridas aufgreift. Sie bilden die logischen Vorannahmen der Simulationstheorie, weshalb ich sie und ihre Rezeption durch Baudrillard knapp umreißen möchte, um Details der Simulationstheorie damit engzuführen.

3.1 Walter Benjanim

Einer der einflussreichsten Texte zur modernen Kunst- und Filmtheorie Walter Benjamins findet Erwähnung in verschiedenen Texten Baudrillards: Der erstmals 1936 veröffentlichte Aufsatz DAS KUNSTWERK IM ZEITALTER SEINER TECHNISCHEN REPRODUZIERBARKEIT. (29)

Die Thesen Benjamins nehmen einiges von Baudrillards Denken vorweg und bereiten anderes vor. Benjamin wirt die Frage auf, wie sich Kunst im Übergang vom Mittelalter über die Renaissance bis heute verändert hat. Dabei kommt ihm zufolge den Reproduktionstechniken (Holzstich, Buchdruck, Lithografie, Fotografie, …) besondere Bedeutung zu. Sie hätten einerseits dem Kunstwerk die Aura des Originalen – dessen authentischen Moment – genommen, ihm jedoch andererseits zu seinem Ausstellungswert verholfen und es somit zu einer Kunst der Massen werden lassen.

Dies treffe nach Benjamin auf den Film im besonderen Maße zu, weil er, bedingt durch seine Apparatur und seine Distributionsmechanismen am nachhaltigsten an der Destruktion des Auratischen teilhabe. Seine Techniken sind dabei einerseits die Montage der Einstellungen und andererseits die Multi-Perspektivität des Kamerablicks. Die Kamera als Apparat porträtiert nicht mehr einen Schauspieler, sondern unterzieht einen Darsteller „optischen Tests“ (30), welche im Nachhinein ausgewertet und zum Film montiert werden.

Veränderung der Wahrnehmung durch den Film

Benjamin hebt hervor, dass die „Art und Weise, in der sich die menschliche Sinneswahrnehmung organisiert – das Medium, in dem sie erfolgt –, [..] nicht nur natürlich, sondern auch geschichtlich bedingt“ (31) ist. Der Film, der als Massenmedium bereits im frühen 20. Jahrhundert besonderen Einfluss auf diese Organisation nimmt, lässt Benjamin schlussfolgern: „Die Ausrichtung der Realität auf die Massen und der Massen auf sie ist ein Vorgang von unbegrenzter Tragweite sowohl für das Denken wie für die Anschauung.“ (32)

Hier deutet sich bereits der Einfluss Benjamins auf die Simulationstheorie Baudrillards an. Dieser greift die These in DER SYMBOLISCHE TAUSCH UND DER TOD auf und erweitert sie:

„Gegenstände von Informationen sind gleichermaßen Ergebnisse einer Selektion, einer Montage, einer Filmaufnahme, sie haben die »Realität« schon getestet und ihr nur Fragen gestellt, die ihnen »entsprachen«. Sie haben die Realität in einfache Elemente zerlegt und sie zu Szenarios mit klaren Gegensätzen wieder zusammengefügt. […] Die »öffentliche Meinung« ist natürlich die schönste dieser Proben – nicht aus einer irrealen politischen Substanz entstanden, sondern aus einer hyperrealen, jener phantastischen Hyperrealität, die nur von der Montage und der Manipulation der Tests lebt. […] Dieser ganze Prozeß ist auseinandergerissen: der widersprüchliche Prozeß zwischen dem Wahren und dem Falschen, dem Realen und dem Imaginären wird durch die hyperreale Logik der Montage beseitigt.“ (33)

Das Konzept des »Tests«, das Benjamin als Kennzeichen filmischer Darsteller-Kunst ansieht, wird hier auf alle Gegenstände vor der Kameraoptik und vom Spielfilm auf alle Genres audiovisueller Medien übertragen.

Die Geschichte der technischen Kunstreproduktion

Die Ordnung der Simulakra, die bei Baudrillard eine historische ist, scheint ebenfalls auf einer Überlegung Benjamins zur Geschichte der Reproduktion zu basieren. Benjamin unterscheidet zwischen einem prä-reproduktiven Zeitalter (wobei er ausdrücklich die technische Reproduzierbarkeit meint), einem Zeitalter der technischen Reproduktion und schließlich einem Zeitalter, in dem die Reproduktion selbst als Kunstform angesehen wird. Das erste setzt er grob im Zeitraum zwischen der Antike und dem Mittelalter an, das zweite mit Beginn der Renaissance, das dritte schließlich „um neunzehnhundert“ (34). Baudrillard ordnet den Simulakra ebenfalls drei Zeitalter zu:

  • „Die Imitation ist das bestimmende Schema des »klassischen« Zeitalters von der Renaissance bis zu[r] Revolution.
  • Die Produktion ist das bestimmende Schema des industriellen Zeitalters.
  • Die Simulation ist das bestimmende Schema der gegenwärtigen Phase, die durch den Code beherrscht wird.“ (35)

So gesehen ließe sich Baudrillards Ordnung der Simulakra als ein Fortschreiben von Benjamins Reproduktionsepochen verstehen. Diese Annahme kongruiert auch inhaltlich, denn das, was er als Imitation kennzeichnet, kennzeichnet den ersten Erfolg, ständisch reglementierte Zeichen aus ihrer Exklusivität herauszubrechen – in Benjamin’scher Terminologie: ihnen die Aura der Macht zu nehmen.

Die (serielle) Produktion kennzeichnet bereits ein Zeitalter, in dem Zeichen industriell vervielfältigt werden. In Erweiterung Benjamins notiert er:

„Es war Walter Benjamin, der im »Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit« als erster die wesentlichen Konsequenzen dieses Reproduktionsprinzips entwickelt hat. […] Er zeigt dies für den Bereich der Kunst, des Kinos und der Photografie, […] aber wir wissen heute, daß die gesamte materielle Produktion in diese Sphäre übergeht.“ (36)

Die Phase der Simulation schließlich geht über die Theorie Benjamins hinaus und stellt die „innovative theoretische Leistung Baudrillards“ (37) dar:

„Es gibt keine Imitation des Originals mehr wie in der ersten Ordnung, aber auch keine reine Serie mehr wie in der zweiten Ordnung: es gibt Modelle, aus denen alle Formen durch eine leichte Modulation von Differenzen hervorgehen.“ (38)

Was Benjamin noch als eine Phase, in der die Reproduktion selbst als Kunstform angesehen wird, kennzeichnet (was den modernen Reproduktions-Kunstwerken Andy Warhols entspricht), ist für Baudrillard Simulakrum zweiter Ordnung. In der Semiokratie diktiere das Simulationsprinzip. Das reproduzierte Kunstwerk besitzt nicht nur kein Original mehr, von dem es Kopie ist, sondern es hat nie ein Original besessen. Es fingiert (dissimuliert) jedoch. dass es ein Original gäbe und verweist damit einzig auf sich selbst.

Der zirkuläre Effekt der Bilder auf die Massen

Ein letztes bedeutendes Konzept, dass sich aus dem Kunstwerk-Aufsatz im Werk Baudrillards wieder findet, ist das des Schocks: Eine „Chokwirkung“ (39) trete beim Betrachter des Films ein, weil dieser durch die Montage verschiedener Einstellungen ständig in seinem Assoziationsablauf unterbrochen werde. Hier treffe der Film auf ein besonderes Bedürfnis des „heutigen Zuschauers“:

„Der Film ist die der gesteigerten Lebensgefahr, der die Heutigen ins Auge zu sehen haben, entsprechende Kunstform. Das Bedürfnis, sich Chokwirkungen auszusetzen, ist eine Anpassung der Menschen an die sie bedrohenden Gefahren. (49) Der Film entspricht tiefgreifenden Veränderungen des Apperzeptionsapparates – Veränderungen, wie sie im Maßstab der Privatexistenz jeder Passant im Großstadtverkehr, wie sie im geschichtlichen Maßstab jeder heutige Staatsbürger erlebt.“ (41)

Damit wird von Benjamin einmal mehr die Beziehung zwischen der Film- und der Realitätswahrnehmung thematisiert. Erstere spiegele nicht nur die zweite wider, sondern beschreibe ebenso einen zirkulären Vorgang: Film konstituiert das Bild der Realität und diese – wie zuvor dargelegt wurde – fließt wiederum zurück in die Bilder des Films. Auch Wetzel weist diesbezüglich auf den Konnex zwischen Benjamin und Baudrillard hin:

„Die von Benjamin im Begriff der »Information« zusammengefaßte chochafte Revolutionierung technischer Wahrnehmungsweise kann am besten mit dem Modell des Films demonstriert werden, in dem das Paradigma der Reversibilität von zeitlichen Kausalzusammenhängen, also Baudrillards »Rückwendung der Geschichte«, erstmals vorstellbar wurde.“ (42)

Die Ursachen und Konsequenzen dieser »Rückwendung der Geschichte« werde ich später noch einmal aufgreifen.

3.2 Marshall McLuhan

Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan liefert in seiner Schrift UNDERSTANDING MEDIA (43) eine zweite Prämisse für die Simulationstheorie. Im Kapitel THE MEDIUM IS THE MESSAGE stellt McLuhan drei Thesen auf, die die Theorie Baudrillards nachhaltig beeinflusst haben.

  1. Er erweitert den Medienbegriff als jede räumliche Ausweitung der Person durch Technik.
  2. Als den Inhalt des Mediums, dessen Botschaft, bezeichnet er sämtliche Effekte, die die so verstandenen Medien auf den Menschen, seine Psyche und soziale Umwelt haben.
  3. Der Inhalt eines Mediums sei wiederum ein anderes Medium und nicht, wie nach bisherigen Kommunikationsmodellen, eine Information.

Medienkonstruktivismus

Nach McLuhan gestalten und steuern die Medien „Ausmaß und Form des menschlichen Zusammenlebens“ (44). Mit jedem neuen Medium werden die Fähigkeiten des Menschen erweitert und die Art seiner Wahrnehmung neu definiert. Dadurch erhalten die Medien die Fähigkeit, einer „Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas [… der] Existenz des Menschen“ (45).

Die Neudefinition von Medien als Metapher für Technik und ihr weit reichender Einfluss-Charakter auf die Wirklichkeit stehen im Zentrum von McLuhans Theorie. Das konstruktivistische Moment der Medien, das sich bereits bei Benjamin angedeutet hat, findet hier seine konsequente Erweiterung und wird zu einem wichtigen Faktor für die Simulationstheorie Baudrillards:

„Diese Umwandlung des Medialen ins Unmittelbare, ins Unvermittelte, diese unmittelbare katalytische Umsetzung des Realen durch den Bildschirm, diese verhängnisvolle Revolution ist schon ganz in McLuhans Formel »The medium is the message« enthalten. […] McLuhan bleibt der prophetische Verkünder dieses Kollabierens des Mediums und der Botschaft, mithin auch des Senders und des Empfängers, des Akteurs und des Zusehers, mithin auch im Grunde der Verkündiger der zukünftigen Implosion der Kommunikation und Information.“ (46)

Die endlose Verschachtelung der Medien ineinander, die letztlich auch zur Ununterscheidbarkeit zwischen Medium und Botschaft führt, bildet das ab, was mit Simulakrum 3. Ordnung gemeint ist. (47) Daraus resultiert ebenso ein Kollaps („Implosion“) des Sozialen, welchen Baudrillard in SIMULACRA AND SIMULATIONS konstatiert:

„This implosion should be analyzed according to McLuhan’s formula, the medium is the message, the consequences of which have yet to be exhausted. That means that all content of meaning are absorbed in the only dominant form of the medium. Only the medium can make an event – whatever the contents, whether they are conformist or subversive.“ (48)

Veränderung des Medienbegriffs

Die aufgehobene Distinktionsgrenze zwischen Träger und Inhalt der Information führt schließlich dazu, dass der Medienbegriff, wie ihn auch McLuhan verwendet, nämlich als etwas, das sich immer noch zu einer außerhalb ihm stehenden Realität verhält, überdacht werden muss:

„But there is something even more serious, which McLuhan himself did not see. Because beyond this neutralization of all content, one could still expect to manipulate the medium in its form and to transform the real by using the impact of the medium as form. If all the content is wiped out, there is perhaps still a subversive, revolutionary use value of the medium as such. That is – and this is where McLuhan’s formula leads, pushed to its limit – there is not only an implosion of the message in the medium, there is in the same movement, the implosion of the medium itself in the real, the implosion of the medium and of the real in a sort of hyperreal nebula, in which even the definition and distinct action of the medium can no longer be determined.“ (49)

Nach Baudrillard wird die Unterscheidung zwischen medialer und sozialer Sphäre unmöglich. Beide »implodieren« ineinander, dadurch, dass sie in einem zirkulären Wechselverhältnis zueinander stehen, wenn man McLuhans Leitsatz konsequent fortdenkt:

„Finally, the medium is the message not only signifies the end of the message, but also the end of the medium. There are no more media in the literal sense of the word (I’m speaking particularly of electronic mass media) – that is, of a mediating power between one reality and another, between one state of the real and another. Neither in content, nor in form. Strictly, this is what implosion signifies. The absorption of one pole into another, the short-circuiting between poles of every differential system of meaning, the erasure of distinct terms and oppositions, including that of the medium and of the real – thus the impossibility of any mediation, of any dialectical intervention between the two or from one to the other. Circularity of all media effects.“ (50)

Damit ist schließlich das Konzept der Hyperrealität aus dem Medienbegriff McLuhans ableitbar. Gleichzeitig wird deutlich, dass die gegenseitige Bedingung von Medium und Realität total ist. Ereignisse sind Baudrillard zufolge einzig medialen Ursprungs.

3.3 Jacques Derrida

Bezieht sich Baudrillard auf Benjamin und McLuhan explizit, so finden die Überlegungen des französischen Philosophen Jacques Derrida, wie oben erwähnt, nur implizit Eingang in die Simulationstheorie. Baudrillards Postulat der „Semiokratie“ (51) basiert im Wesentlichen auf dem poststrukturalistischen Zeichenmodell Derridas, wenn er schreibt:

„Soweit die Simulation als Gegenkraft zur Repräsentation. Ausgangspunkt der Repräsentation ist ein Prinzip der Äquivalenz zwischen Zeichen und Realem […]. Ausgangspunkt der Simulation dagegen ist die Utopie des Äquivalenzprinzips, die radikale Negation des Zeichens als Wert, sowie die Umkehrung und der Tod jeder Referenz.“ (52)

différance und Simulakrum

Die Nähe beider Zeichenmodelle zueinander ist in der Sekundärliteratur verschiedentlich festgestellt worden (53), wenn auch Derridas Anspruch philosophiegeschichtlich fundiert und weit reichender in seiner Konsequenz ist als der Baudrillards.

Die Erweiterung der strukturalistischen Zeichentheorie nach Ferdinand de Saussure vollzieht Derrida sehr prägnant in seinem 1968 erschienenen Vortrag LA DIFFÉRANCE (54). Die Bedeutung sprachlicher Zeichen wird nach de Saussure aus der Differenz der Bedeutung zu anderen sprachlichen Zeichen bezogen. Derrida weist darauf hin, dass dieser Signifikationsprozess in seiner infiniten Zirkulation dazu führt, dass die Bedeutung eines Zeichens deshalb niemals präsent, sondern entlang des Signifikanten-Geflechts verstreut und damit nicht eindeutig fixierbar ist. Die Annahme eines ursprünglichen bzw. endgültigen (d. h. transzendentalen) Signifikats sei daher irrig, weil auch dieses sich allein aus der Differenz »definiert« und damit keinen übergeordneten Stellenwert beanspruchen kann.

Baudrillard übernimmt diese Überlegung in die Simulationstheorie als philosophische »Rechtfertigung« der Hyperrealität. (55) Der Terminus Simulakrum, den Baudrillard für die Ordnung seiner künstlichen Zeichenwelten verwendet, wird bereits bei Derrida zur Kennzeichnung der Spur des Signifikanten im Signifikationsprozess genutzt: „Da die Spur kein Anwesen ist, sondern das Simulacrum eines Anwesens, das sich selbst auflöst, verschiebt, verweist, eigentlich nicht stattfindet, gehört das Erlöschen zu ihrer Struktur.“ (56) Diesen Befund überträgt Baudrillard nun vom phonetischen auf das audiovisuelle Zeichen und unterstellt der ideologisch motivierten Dissimulation die Behauptung »transzendentaler Signifikation«, weil diese auf eine unhinterfragbare Realität verweise.

Referenzlose Signifikanten

Diese Zeichenauffassung hat Konsequenzen für die Theoriebildung selbst. Baudrillards Simulationstheorie muss schließlich ihrem eigenen Paradigma unterworfen werden können (57), wie Fuder feststellt:

„Bei Baudrillard werden dagegen die textinternen- bzw. textexternen Anschlussverhältnisse so arbitrarisiert, daß sie zum allopoietischen Spiel verführerischer Verkettungen werden. Zweifellos geht diese Schreibweise von der Nichtabschließbarkeit der Signifikantenverhältnisse aus, der Lockerung referentieller Sprachbeziehungen, die nicht mehr an distinktiven Oppositionsverhältnissen orientiert ist, sondern […] Referenzen ins Disperse und Gegenläufige treibt.“ (58)

Der »simulative Stil«, in dem Baudrillard seine Theorien verfasst, wurde verschiedentlich als »(wissenschaftlich) fiktional« oder als »Theoriefiktion« bezeichnet (59), was einerseits den schriftstellerischen Stil und andererseits die spekulative Art der Theoriebildung selbst illustrieren soll. Auf Grund dieser Eigenart ist ein Großteil der Forschung damit beschäftigt, die Frage, ob es sich bei Baudrillards Theorien überhaupt um Wissenschaft handelt, zu klären.

Bohn und Fuder führen diese Schwierigkeit auf mangelnde Kohärenz in Baudrillards Argumentation zurück, bemerken aber mit den Worten Adornos gleichzeitig, dass „die gegenwärtige Gesellschaft sich einer kohärenten Theorie entwindet“ (60). Letztlich scheint der (inkohärente) Theorie-Stil wie auch der Gebrauch naturwissenschaftlicher Termini außerhalb ihrer Denotation ein »praktischer Beleg« für die Referenzlosigkeit sprachlicher Zeichen zu liefern und damit „ideologiekritische Positionen“ (61) zu beziehen.

Vor dem konkreten Hintergrund der sozialen Lebenswelt erscheint der Vorwurf Kraemers, „ob Zeichen überhaupt aus der Schwerkraft sozialer Beziehungen und Verhältnisse herausgelöst werden und sich gegenüber der Welt hermetisch abdichten können“ (62) zunächst berechtigt. Er fragt:

„Was bleibt eigentlich vom Zeichen, wenn die Relation von Signifikant und Signifikat grundsätzlich negiert wird? […] Ist die Rede vom semantisch »entleerten« Zeichen nicht ein Selbstwiderspruch? […] Wie soll eine »subjektlose« Produktion und Zirkulation von Zeichen funktionieren? Grundsätzlicher: Kann sinnvollerweise überhaupt von einer losgelassenen Selbstbewegung der Zeichen, von einer Herrschaft der selbstlaufenden Codes, die die soziale Welt »hyperreal« überbieten, gesprochen werden?“ (63)

Damit interpretiert er die Simulationstheorie jedoch radikaler, als sie von Baudrillard intendiert zu sein scheint. Denn schon nach Derridas Verständnis ist die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant ja keineswegs negiert, sie ist nur nicht mehr positiv darstellbar. Das Zeichen verliert daher nicht seinen »praktischen Gebrauchswert« in der interpersonalen Kommunikation; es ist eben nur nicht mehr als Signifikant einer endgültigen Wahrheit zu verstehen.

In seiner Bedeutung entleert ist das Zeichen ebenfalls nur in dem Maß, wie diese Bedeutung sich nicht mehr eindeutig fixieren lässt. Führt man die Annahme des Simulakrums als referenzloses Zeichen auf Derridas différance zurück und verortet sie innerhalb des medialen Simulationsprozesses, so erscheint die Annahme einer durch sie initiierten Hyperrealität durchaus evident. Dies um so mehr, als sie – wie wir gesehen haben – am Ende einer medientheoretie-geschichtlich langen Beobachtung des Einflusses der technischen Medien auf die Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit des Menschen steht. Und schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Simulationstheorie ja keinesfalls das Verschwinden der Realität behauptet,

„sondern gemeint sind eher die Formen bekannter und vertrauter Realität. Und sie verschwinden im wesentlichen deshalb, weil es nicht mehr möglich ist, das Reale vom Imaginären zu unterscheiden, weil die Simulation das Wahrheitsprinzip beseitigt und damit die semantische Äquivalenz zwischen Signifikant und Signifikat »ausradiert«.“ (64)

4. Hyperrealität im Film

Die Medien sind der Generator der Hyperrealität. Durch ihre beständige (Re)Produktion des Realen löschen sie den Widerspruch zwischen dem Realen und dem Imaginären aus. (65) Auf der anderen Seite sieht Baudrillard die Funktion der Medien darin, diesen Verlust des Realen zu verschleiern. In ihrem Wesenszug ist die Simulationstheorie daher vor allem eine Kritik an den Medien. Die (politische) Macht betreibe – wie erwähnt – eine Strategie der Dissimulation, bei der sie vermittels der Medien den Verlust der Realität zu verleugnen suche. Dies hebt Baudrillard Wetzel zufolge beim Film besonders hervor:

„am Beispiel des Films wirft er den Medien vielmehr gerade die Verhaftung im Realen vor, dem »absoluten Realen in seiner Banalität, seiner Wahrhaftigkeit und nackten Evidenz«, die zugleich für sich beansprucht, »das unmittelbare, das Unbezeichnete« zu sein.“ (66)

Die Dissimulation wird im Film besonders darin deutlich, dass die Historie, die Baudrillard zufolge ein notwendiges »Opfer« des Verlustes von Kausalzusammenhängen sein muss, besonders eindrücklich und authentisch inszeniert wird. Dieser Geschichtsverlust, auf den ich im Folgenden näher eingehen möchte, findet seine Entsprechung und Ursache bereits in der Montage-Technik.

4.1 Posthistoire: Das Ende der Geschichte durch den Film

Der Film als audiovisuelles Medium ist es, der dem Rezipienten »reale« Vergangenheiten in Bildern vor Augen hält, ihn mit einem „sichtbaren Ursprungsmythos“ (67) versorgt. Doch Geschichte selbst existiert nach Baudrillard nur noch als Inszenierung. (68) In DAS JAHR 2000 FINDET NICHT STATT benennt er die Mechanismen, die zum »Ende der Geschichte« in der Simulationsgesellschaft geführt haben.

Baudrillard sieht die Indifferenz zwischen Ursache und Wirkung als einen Grund dafür, dass historische Ereignisse in den Medien allenfalls simulativ sind:

„Vor allem die modernen Medien haben jedem Ereignis, jeder Erzählung und jedem Bild einen Simulationsraum mit grenzenloser Flugbahn eröffnet. Jedes Faktum, jedes politische, historische oder kulturelle Merkmal erhält bei seiner Verbreitung durch die Medien eine kinetische Energie, die es für immer einem eigenen Raum entreißt […]. Natürlich hat das Konsequenzen für die Geschichte. Damit ist der »Récit«, die Erzählung, unmöglich geworden, bedeutet er doch definitionsgemäß (re-citatum), daß ein Sinn zurückverfolgt werden kann.“ (69)

Es ist also die Beschleunigung des Informationsflusses in den Medien, die Geschichtsschreibung verunmöglicht. (70) Besonders der Film fungiert nach dem Ende des zweiten Weltkrieges als Mythologisierungsmaschinerie der Geschichte, „jene Geschichte, exorziert durch eine zögernd oder brutal zu Eis erstarrende Gesellschaft, feiert auf den Leinwänden aufgrund des gleichen Vorgangs, der hier einst die verlorenen Mythen wiederaufleben ließ, ihre gewaltige Wiederauferstehung.“ (71) Die Historie greift auf das Kino über und liefert dem Zuschauer den verlorenen Bezug zur Vergangenheit, stiftet Zusammenhänge. Baudrillard spricht in diesem Zusammenhang von „Retro-Faszination“ (72), in welcher Geschichte im Kino dem Zuschauer präsentiert wird: zusammenhanglos und beliebig in der Auswahl der (historischen) Ereignisse. Je näher die dargestellten Historeme (73) zeitlich liegen, desto größer das Interesse des Publikums, das den Gegenstand der Darstellung fetischisiert. Doch selbst inszenierte Geschichte kann Baudrillard zufolge nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst ein noch so naher zeitlicher Bezug nur simulativer Natur sein kann:

„im »Realen« wie im Kino hat es Geschichte gegeben – es gibt sie nicht mehr. Die Geschichte, die uns heute »zuteil« wird (eben deshalb, weil sie uns eingenommen hat), hat zu einem »historischen Realen« nicht mehr bezug als in der Malerei der neo-figurative Stil zur klassischen Figurierung des Realen. Der neo-figurative Stil ist eine Anrufung der Ähnlichkeit, zugleich aber flagranter Beweis für das Verschwinden der Objekte in ihrer Repräsentation selbst: Beweis für das Hyperreale. Da brillieren die Objekte in einer Art von Hyperähnlichkeit (wie gegenwärtig im Kino die Geschichte)“ (74).

Baudrillard sieht hierin eine Tendenz des Films, die längst noch nicht an ihr Ende gelangt ist. Die »Perfektheit« historischer Filme, wie ALL THE PRESIDENT’S MEN (USA 1976), 1900 (I 1976) oder BARRY LYNDON (GB 1975) seien nur ein Vorgeschmack darauf, wie Historie im Kino inszeniert wird: „Eine ganze Generation von Filmen kommt auf uns zu, die im Verhältnis zu dem, was man kennt, das sind, was der Androide für den Menschen ist: wundervolle Artefakte, ohne Fehl, geniale Simulakren, denen es nur am Imaginären fehlt, und an jener eigentümlichen Halluzination, die eben das Kino zum Kino macht.“ (75) Den dem Kino eigentümlichen Charakter sieht Baudrillard eben nicht im „Zwang zur historischen Treue, zu einer perfekten Wiedergabe“ also in historischer Authentizität von Erzählung und Darstellung, sondern im Gegenteil in der reinen Fiktion. Mit dem Übergreifen der Historie auf das Kino endet nach Baudrillard dieses Charakteristikum und gleichzeitig mit ihm auch die Geschichte selbst:

„Denn das Kino selbst hat zum Verschwinden der Geschichte und zur Vollendung des Archivs beigetragen. Die Photographie und das Kino haben in großem Ausmaß dazu beigetragen, die Geschichte zu säkularisieren, sie zu fixieren in ihrer sichtbaren, »objektiven« Form, auf Kosten der Mythen, die in ihr umgingen.“ (76)

Auf den Serienmörder-Film scheint diese Zuschreibung besonders genau zuzutreffen, denn auch er projiziert nicht einfach authentische kriminalhistorischer Ereignisse, sondern überformt das Bild dieser Ereignisse irreversibel, stellt Theorien über Erkenntnisse der Tatmotivationen auf und schlägt eigene (Verschwörungs-)Theorien über die Identität der Täter nicht gelöster Fälle vor. In ihm halten die faits divers (77) besonders nachhaltig Einzug, denn kaum ein anderes Genre produziert so zahlreiche Alltags-Mythen und Modelle zum Verständnis der (kriminal)historischen »Wahrheit«. Zwischen (historical) fact und fiction ist bei diesen Filmen aber nicht mehr zu unterscheiden möglich, denn längst sind ihre Theoreme in andere Medien und das Geschichtswissen diffundiert.

4.2 Transästhetik

Hyperrealität und Kunst sind in der Nachfolge von Baudrillards Simulationstheorie des Öfteren Gegenstand kulturtheoretischer Überlegungen gewesen. So sieht etwa Umberto Eco in Amerika den Vorreiter für hyperreality. In seinem Essay REISE INS REICH DER HYPERREALTITÄT (78) beschreibt er die Eindrücke, die er in verschiedenen Kulturstätten der USA gewonnen hat. Diese verstehen sich Eco zufolge im Wesentlichen als Reproduktionsstätten europäischer Kunst, die »echter und besser« ist als das Original, das ihnen zu Grunde liegt. Die Historizität dieses Originals ist dabei genauso wie bei Baudrillard Garant für Echtheit, wenn er konstatiert,

„daß die historische Information, um ›anzukommen‹, die Form einer Reinkarnation annehmen muß. Um von Dingen sprechen zu können, die man als echt empfinden will, müssen sie echt erscheinen. Das ›ganz Wahre‹ wird identisch mit dem ›ganz Falschen‹. Das absolut Unwirkliche präsentiert sich als wirklich Vorhandenes. […] Das Zeichen will selber die ›Sache‹ sein, es will die Differenz der Verweisung aufheben, die Mechanik der Substitution. Es will nicht mehr Abbild der Sache sein, sonder ihr Abklatsch oder ihr Duplikat.“ (79)

Dabei macht auch Eco deutlich, dass die Vergangenheit als »Ort der Referenz« gar nicht mehr existiert, weil der Hyperrealismus durch seinen „gefräßigen Verbrauch von Gegenwart und den unaufhörlichen Ausstoß von ›immer neuen‹ Vergangenheiten“ (80) keine eindeutige Fixierung von historischer Faktizität mehr zulässt.

Hier deutet sich bereits der refluxive Charakter hyperrealistischer Kunst an, die dadurch, dass sie mediale Modelle von Realitäten inszeniert, die Grundlage für die Inszenierung künftiger Modelle generiert. Ein zirkulärer Diskurs zwischen der Kunst und der durch sie produzierten Realität findet statt. Damit hat sich Kunst Baudrillard zufolge „in einer allgemeinen Ästhetisierung des Alltagslebens abgeschafft.“ (81)

Diesen Gedanken greift er 1989 in seinem Aufsatz (über) TRANSÄSTHETIK (82) auf. Auf die Frage, ob es in der Kunst noch Avantgarde gäbe, proklamiert Baudrillard, dass der Stillstand der Geschichte auch die Kunstproduktion betroffen habe. Kunst – er spricht im Folgenden von der musealen Kunst – ist von dem Faktum beeinflusst, dass Ästhetik (genau wie Politik und Sexualität) kulturell allgegenwärtig und allumfassend geworden ist:

„gleichzeitig wird alles ästhetisiert: die Politik im Spektakel, die Sexualität in der Werbung und in der Pornographie; ästhetisiert wird die Gesamtheit der Tätigkeiten, die man gemeinhin als Kultur bezeichnet, was etwas ganz anderes als die Kunst ist, eine Art Semiologisierung durch die Medien und die Werbung, die überall eindringt.“ (83)

Die allgemeine Ästhetisierung hat zur Folge, dass ästhetische Werturteile nicht mehr möglich sind, denn „Wenn alles Ästhetik ist, ist nichts mehr schön oder häßlich.“ (84) Diesen Zustand nennt er Transästhetik und führt ihn mit dem Verschwimmen der Gattungsgrenzen eng (eine Strategie postmoderner Kunst). Durch das vollständige Aufgehen der Ästhetik in allen Sphären des Lebens sei ein Zustand erreicht, in dem die Kunst, wie sie vormals existiert hat,

„in ihrem eigentlichen Sinn, in ihrer Bereitschaft zum Wagnis, in ihrem Vermögen, Illusion herzustellen, in ihrer Fähigkeit, die Wirklichkeit zu negieren und ihr eine andere Szene entgegenzustellen, wo alles einer übergeordneten Spielregel gehorcht, ein Bild der Transzendenz, wo die auf der Leinwand dargestellten Wesen ihre eigentliche Bedeutung verlieren und ihr eigenes Ende überschreiten können, wo sie in einem verführerischen Schwung ihre ideale Form erreichen, selbst wenn es die ihrer Zerstörung wäre“ (85),

verschwunden ist. Im Gegenteil geriete nun alles in die Sphäre des Künstlerischen und „selbst das Unbedeutendste, das Allerbelangloseste, das Allerobszönste wird ästhetisiert, wird Kultur- und Museumsgegenstand.“ (86) Zwar existiere noch der Versuch der Kunst, sich in der Simulation (eigentlich der Dissimulation der oben aufgeführten Werte) zu verdoppeln, aber „in absehbarer Zeit wird die Kunst völlig verschwunden sein und ihren Platz einem enormen künstlichen Museum und der entfesselten Werbung überlassen haben.“ (87)

Von diesem Verschwinden ist keine Kunstgattung verschont. „Angefangen hat das ganze übrigens mit der Pop art, als man das fotografische Abbild des Alltagslebens ironisch potenzierte. Heute umfaßt diese Übersteigerung unterschiedslos alle Formen und Stile der Kunst, die in den transästhetischen Sog der Simulation geraten.“ (88) Und dies sind vor allem die durch die audiovisuellen Medien verbreiteten.

Diese recht kulturpessimistische Prognose ist in ihrer Teleologie zwar nicht verifizierbar, lässt aber einige Rückschlüsse auf die Kunstproduktion der Populärkultur und vor allem des Films zu. Denn das Kino ist ein Indikator dafür, in welchem Maße, wie die faits divers nicht nur (wie von Baudrillard festgestellt) in die Nachrichten, sondern auch in die Filmerzählungen eindringen. Das Trivialste und – wie im vorangegangenen Punkt gezeigt – historisch nahe liegendste Ereignis ist der Garant für künstlerischen und ökonomischen Erfolg der Produktion. Die historisch und lebensweltlich »nahe« Inszenierung von Stoffen berührt einen Bereich der Ästhetik hyperrealistischer Kunst, der im Vorangegangen bereits verschiedentlich angesprochen wurde: die Authentizität.

In DIE AGONIE DES REALEN lässt Baudrillard dieses Phänomen bereits als bedeutend für mediale Hyperrealität anklingen, wenn er den Inszenierungsmodus einer »Doku-Soap« (89) über eine amerikanische Fernsehfamilie – die Louds – beschreibt:

„Die Erfahrung der Fernsehwirklichkeit in Amerika bezieht sich noch immer, wie man am Beispiel der Familie Loud sehen kann, auf die Ideologie des Gelebten, der Exhumierung und des Realen in seiner grundlegenden Banalität und radikalen Authentizität. […] Der Ausspruch »sie haben so gelebt, als ob wir nicht dabei gewesen wären«, war der absolute Triumph des Aufnahmeleiters. Eine absurde Formulierung, weder wahr noch falsch, aber paradox und utopisch. Dieses »als ob wir nicht dabei gewesen wären« hat den gleichen Stellenwert wie »als ob Sie dort gewesen wären«. Und genau das ist diese Utopie, dieses Paradoxon, das 20 Millionen Fernsehzuschauer mehr fasziniert hat als die »perverse« Lust, eine Intimität zu verletzen.“ (90)

In der Vertauschung von »als wären wir nicht dabei gewesen« mit »als wären Sie dabei gewesen« offenbart sich bereits der Nexus zwischen authentischer Inszenierung und hyperrealistischer Darstellung: nämlich im Verschwinden des Mediums, der Dissimulation von Wirklichkeit.

Fußnoten:

  1. Blask 1995. S. 13.
  2. Bohn/Fuder 1994. S. 9.
  3. Die politische Ökonomie in der Folge von und als Kritik an Karl Marx dominiert Baudrillards Werk bis in die späten 1980er Jahre. Die für die Simulationstheorie wichtige Schrift DER SYMBOLISCHE TAUSCH UND DER TOD ist in ihren Grundzügen als eine Erweiterung des Marx’schen Konzepts der politischen Ökonomie zu verstehen. Dennoch will ich diesen Aspekt unberücksichtigt lassen und mich – auch bei der Interpretation dieser Schrift – auf die mehr medientheoretischen Aspekte konzentrieren, wie sie Baudrillard 1978 in DIE AGONIE DES REALEN selbst auch mehr hervorhebt.
  4. Ralf Bohn und Dieter Fuder leiten diesen Epochenbegriff aus den Baudrillard’schen Überlegungen ab und unterstreichen damit die nachhaltige Bedeutung der Simulationstheorie für das Verständnis der kontemporären Gesellschaft. (Vgl.: Bohn/Fuder 1994. S. 11.)
  5. Baudrillard 2002b. S. 80.
  6. Baudrillard 1978a. S. 49.
  7. Baudrillard 1990. S. 16f.
  8. Wetzel 1994. S. 97.
  9. Baudrillard 1978a.
  10. Baudrillard 1994a.
  11. Baudrillard 1989b.
  12. Baudrillard 2002b.
  13. Baudrillard 2002a. S. 9.
  14. Baudrillard 2002b. S. 54.
  15. Diesen Effekt führt er ebenfalls am Beispiel des Watergate-Skandals aus, bei dem „der Film“ – gemeint ist hier wohl ALL PRESIDENT’S MEN (USA 1976) – seine eigene Theorie über die Manipulation der linken Presse durch die Republikaner aufstellt. (Vgl. Baudrillard 1978a. S. 29.)
  16. Baudrillard 1995. S. 61. Vgl. auch seine Ausführungen über die „Fernsehwirklichkeit“ in: Baudrillard 1978a, S. 44-51.
  17. CAPRICORN ONE wird von Baudrillard verschiedentlich zur Illustration der Simulationstheorie herangezogen. (Vgl. Blask 1995. S. 31f.)
  18. Baudrillard 1978b. S. 49-57.
  19. Baudrillard 1978b. S. 52. Vgl. auch Kapitel 2.4.1.
  20. vgl. Baudrillard 2002b: S. 49-53, S. 59-61.
  21. Baudrillard 1978a. S. 45.
  22. Baudrillard 1994b. S. 30.
  23. Damit ist keineswegs das Verschwinden von »Wahrheit« und »Falschheit« im Sinne der Logik gemeint, sondern vielmehr ihre Ununterscheidbarkeit in Bezug auf die Referenz des Mediums an eine hinter ihm stehende reale Tatsache.
  24. Vgl. Baudrillard 1978a. S. 51.
  25. Aus diesem Grund ist die Simulationstheorie zwar subversiv, aber keine Verschwörungstheorie: „Alle Manipulationshypothesen lassen sich kreiselartig umkehren. Denn die Manipulation ist ein fließender ursächlicher Zusammenhang, wo Positivität und Negativität sich gegenseitig erzeugen und wieder zudecken und es nicht mehr Aktives als Passives gibt.“ (Baudrillard 1978b. S. 29.)
  26. Dissimulation meint: „die Verstellung, die Verstellungskunst, die Verheimlichung, die Verbergung, das Verhehlen, die Verschleierung; von lat. Dissimulation: das Unähnlich- oder Unkenntlichmachen, die Verkleidung, die Maskierung, die Verstellung, der Schein, die Verheimlichung“ (Baudrillard 1978a. S. 6.) In der Medizin bezeichnet man jemanden, der Symptome verschweigt als „Dissimulanten“, übertragen auf die Simulationstheorie ist Dissimulation als das Verbergen der Simulation und damit das Vortäuschen nichtexistenter Realität.
  27. Blask 1995. S. 32.
  28. Vor allem dessen Essay DAS KUNSTWERK IM ZEITALTER SEINER TECHNISCHEN REPRODUZIERBARKEIT von 1936, Benjamin 1969.
  29. Benjamin 1969.
  30. Benjamin 1969. S. 88.
  31. Benjamin 1969. S. 84.
  32. Benjamin 1969. S. 85.
  33. Baudrillard 1991. S. 99f.
  34. Benjamin 1969. S. 82.
  35. Baudrillard 1991. S. 79. (Hervorhebung im Original)
  36. Baudrillard 1991. S. 88.
  37. Blask 1995. S. 28.
  38. Baudrillard 1991. S. 89.
  39. Benjamin 1969. S. 102.
  40. Dieser Annahme folgt ebenfalls die einflussreiche Theorie der „Angstlust“ Michael Balints, die den Benjamin’schen »Chok-Liebhaber« psychoanalytisch als „Philobaten“ apostrophiert. (Vgl. Balint 1972.)
  41. Benjamin 1969. S. 102.
  42. Wetzel 1994. S. 146.
  43. McLuhan 1968.
  44. McLuhan 1968, S. 14.
  45. McLuhan 1968, S. 14.
  46. Baudrillard 1994a. S. 19.
  47. vgl. Baudrillard 1991. S. 103. (Fußnote)
  48. Baudrillard 2002b. S. 81f.
  49. Baudrillard 2002b, S. 82.
  50. Baudrillard 2002b, S. 82f.
  51. Baudrillard 1978b. S. 23.
  52. Baudrillard 1978a. S. 14.
  53. vgl. Blask 1995. S. 23, Gutorow 2000. S. 195, Borkowa 2000. S. 90, Engell 1999, Winter 1995, S. 33 (Fußnote).
  54. deutsche Übersetzung in: Derrida 1988. S. 29-52.
  55. vgl. Engell 1999.
  56. Derrida 1988. S. 49.
  57. Auf den Vorwurf ungenauer Terminologie entgegnet Baudrillard in einem Interview: „Mit Theorien ist es so ein Ding. Man kann keine Theorie mehr machen und sie so betreiben, als ob es ein theoretisches Subjekt und Objekt gäbe und irgendwo Objektivität. Das ist einfach unmöglich. Wenn man von Simulation sprechen will, muss natürlich die Theorie selber ein Simulationsmodell werden. Sie muss den ganzen Prozess beschleunigen und nicht nur eingreifen, sondern in ihrem Objekt zerfliessen und in ihm sozusagen aufgehen – und selbst ein simuliertes Ding werden.“ (Vgl. Baudrillard 1994a. S. 31.) Zu einer recht polemischen Auseinandersetzung mit der Terminologie Baudrillards vgl. Sokal/Bricmont 1999. S. 169-176.
  58. Fuder 1994. S. 25.
  59. Vgl. Blask 1995. S. 45 und S. 122, Bohn/Fuder 1994. S. 8.
  60. Bohn/Fuder 1994. S. 8.
  61. Bohn/Fuder 1994. S. 9.
  62. Kraemer 1994. S. 54.
  63. Kraemer 1994. S. 54f. (Hervorhebungen durch mich)
  64. Blask 1995. S.30.
  65. Baudrillard 1991. S. 114.
  66. Wetzel 1994. S. 144.
  67. Baudrillard 1978a. S. 21.
  68. Baudrillard geht nicht nur an dieser Stelle mit der Auffassung der Posthistoire konform, nach der Geschichte auf Grund der Fortschrittsstagnation zum Stillstand gekommen ist.
  69. Baudrillard 1990. S. 9.
  70. Andererseits führt Baudrillard die durch die Medien zum Schweigen verurteilten sozialen Massen als Grund für ein Erstarren von Geschichte an: „Fortschritt und Geschichte, Vernunft und Begehren können ihre Befreiungsgeschwindigkeit nicht mehr erreichen. Es gelingt ihnen nicht, sich jenem zu dichten Körper zu entreißen, der ihre Flugbahn zwangsläufig verlangsamt, daß uns die Wahrnehmung und Vorstellung der Zukunft von jetzt ab entgleitet. Jeden Versuch zu sozialer oder historischer Transzendenz absorbiert die Masse in ihrer schweigenden Immanenz. Damit sind wir bereits am Punkt, wo politische und soziale Ereignisse von sich aus keine Kraft mehr besitzen, um uns noch zu erschüttern, sondern sich abspulen wie ein Stummfilm, für den wir weder individuell noch kollektiv verantwortlich sind. Hier nimmt die Geschichte ein Ende, und zwar auf folgende Weise: nicht, weil es zu wenig Persönlichkeiten oder Gewalt gibt (Gewalt wird es immer geben, doch Gewalt ist nicht mit Geschichte zu verwechseln), noch weil es zu wenig Ereignisse gibt (Ereignisse wird es immer geben – Medien und Information sei Dank!), sondern weil sie sich verlangsamt, in Indifferenz und Betäubung erstarrt.“ (Baudrillard 1990. S. 12f.)
  71. Baudrillard 1978b. S. 49.
  72. Baudrillard 1978b. S. 50.
  73. Historem verstanden als die kleinste Einheit eines historischen Faktums. (Vgl. Fineman 1989.)
  74. Baudrillard 1978b. S. 51f.
  75. Baudrillard 1978b. S. 53.
  76. Baudrillard 1978b. S. 55.
  77. vgl. Baudrillard 1978b. S. 98f.
  78. Eco 2002. S. 36-101.
  79. Eco 2002. S. 40.
  80. Eco 2002. S. 54.
  81. Baudrillard 1992. S. 18.
  82. Baudrillard 1989a. Die Überlegungen zum Ende der Avantgarde und einer daraus resultierenden (und dieses Ende bedingenden) Transästhetik finden sich in ähnlicher Form bereits bei Jean-François Lyotard (vgl. Lyotard 1987. S. 99 – 105). Baudrillard selbst situiert diesen Zustand der Kunst daher auch in Anlehnung an Lyotard in der Postmoderne. In ihrem Transästhetikkonzept stellt Martina Dobbe beide Denker am Beispiel der Pop art gegenüber. Vgl. Dobbe 1994.
  83. Baudrillard 1989a. S. 8.
  84. Baudrillard 1989a. S. 8.
  85. Baudrillard 1989a. S. 9.
  86. Baudrillard 1989a. S. 10.
  87. Baudrillard 1989a. S. 10.
  88. Baudrillard 1989a. S. 11.
  89. Das Kunstwort „Doku-Soap“ wurde anlässlich der dritten Staffel von BIG BROTHER (D 2003) eingeführt und beschreibt den hybriden Status des Genres sehr plastisch zwischen neutraler Berichterstattung und wertender Inszenierung.
  90. Baudrillard 1978a. S. 44f.

Literatur:

  • Ars Electronica (1989) (Hrsg.): Philosophie der neuen Technologien. Berlin: Merve 1989.
  • Balint, Michael (1972): Angstlust und Regression. Beitrag zur psychologischen Typenlehre. Reinbeck: Rowohlt 1972.
  • Baudrillard, Jean (1978a): Agonie des Realen. Berlin: Merve 1978.
  • Baudrillard, Jean (1978b): Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen. Berlin: Merve 1978.
  • Baudrillard, Jean (1983): Oublier Foucault. München Raben-Verlag 1983
  • Baudrillard, Jean (1989a): Transästhetik. In: Peter Weibel. Inszenierte Kunstgeschichte – Mise-en-scene of art history. Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien 15. Dezember 1988 bis 30. Jannuar 1989. Hrsg.: Hochschule für angewandte Kunst – Wien: Österreichisches Museum für angewandte Kunst 1988, S. 8-16.
  • Baudrillard, Jean (1989b): Videowelt und fraktales Subjekt. In: Ars Electronica 1989.
  • Baudrillard, Jean (1990): Das Jahr 2000 findet nicht statt. Berlin: Merve 1990.
  • Baudrillard, Jean (1991): Der symbolische Tausch und der Tod. München: Matthes/Seitz 1991.
  • Baudrillard, Jean (1992): Transparenz des Bösen. Berlin: Merve 1992.
  • Baudrillard, Jean (1994a): Illusion und Virtualität. Bern: Benteli 1994.
  • Baudrillard, Jean (1994b): Die Illusion des Endes oder der Streik der Ereignisse. Berlin: Merve 1994.
  • Baudrillard, Jean (1995): The Gulf War Did Not Take Place. Sydney: Power Publications 1995.
  • Baudrillard, Jean (2002a): Paßwörter. Merve: Berlin 2002.
  • Baudrillard, Jean (2002b): Simulacra and Simulations. Ann Arbour: UMP 2002.
  • Benjamin, Walter (1969): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Brauneck, S. 81-102.
  • Blask, Falko (1995): Baudrillard zur Einführun. Hamburg: Junius 1995.
  • Bohn, Ralf/Fuder, Dieter (1994) (Hrsgg.): Simulation und Verführung. München: Fink 1994.
  • Bohn, Ralf/Fuder, Dieter (1994): Baudrillard lesen. In: Bohn/Fuder, S. 7-14.
  • Borkowska, Ewa (2000): The „Culture“ of Simulation. In: Kalaga/Rachwal, S. 89-99.
  • Brauneck, Manfred (1980) (Hrsg.): Film und Fernsehen. Materialien zur Theorie, Soziologie und Analyse der audio-visuellen Massenmedien. Bamberg: C. C. Buchners Verlag 1980.
  • Derrida, Jacques (1988): Die différance. In: Ders. Randgänge der Philosophie. Hrsg. Von Peter Engelmann. Wien: Passagen 1988, S. 29-52.
  • Eco, Umberto (2002): Reise ins Reich der Hyperrealität. In: Ders. Über Gott und die Welt. München: dtv 2002, S. 36-101.
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  • Höltgen, Stefan (2003): »The Juwes are not the men That Will be Blamed for nothing«. Der Profiler im Jack the Ripper-Film. In: F.LM – Texte zum Film. Ausg. 1/2003 (Nr. 3), S. 15-21.
  • Kraemer, Klaus (1994): Schwerelosigkeit der Zeichen? Die Paradoxie des selbstreferentiellen Zeichens bei Baudrillard. In: Bohn/Fuder, S. 47-70.
  • McLuhan, Marshall (1968): Die magischen Kanäle. »Understanding Media«. Düsseldorf/Wien: Econ 1968. (zuerst erschienen 1964)
  • Sokal, Alan/Bricmont, Jean (1999): Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen. München: Beck 1999.
  • Wetzel, Michael (1994): Paradoxe Intervention. Jean Baudrillard und Paul Virilio: Zwei Apokalyptiker der neuen Medien. In: Bohn/Fuder, S. 139-154.
  • Winter, Rainer (1995): Der produktive Zuschauer. Medienaneignung als kultureller und ästhetischer Prozeß. München: Quintessenz 1995.

2 Antworten zu Simulationstheorie und Film

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  2. Heinz-Olaf Müller sagt:

    Guten Tag,

    toller Artikel, mit Gewinn gelesen! Auf die Gefahr hin, oberschlau zu erscheinen: Mit Luhmann könnte man die Simulationstheorie wohl sehr viel präziser, plausibler, griffiger und kürzer formulieren: Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt. Beobachten ist Unterscheiden und Bezeichnen. Jenseits der Beobachtungen gibt es keine Wahrheit. Zugegeben, das ist extrem verknappt. Auf zehn Schreibmaschinenseiten ließe sich aber etwas Vorzeigbares daraus machen. Motto: „(A)lles (alles! – H.-O. M.), was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Die Realität der Massenmedien, 1996). Luhmann hätte gewiss nicht von Referenzlosigkeit gesprochen, statt dessen von zirkulären Verhältnissen der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung. Diesen Zirkeln kann man entkommen – aber nur operational, gewissermaßen um weitermachen zu können, nicht mit der Aussicht auf vertiefte Erkenntnis oder endgültige Wahrheit. Bei Baudrillard klingt es – theorieästhetisch gesprochen – etwas wagnerhaft-uncool. Und Ockhams Messer gehörte ersichtlich nicht zu seinem Besteck. Zu Luhmanns „Beobachtungstheorie“ (die es ausformuliert und unter dieser Flagge allerdings nicht gibt): Die Wissenschaft der Gesellschaft,
    1992.

    Freundliche Grüße
    Heinz-Olaf Müller, Greifswald

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