Spiegelbilder

 

 

Abstract

Die Filme David Lynchs sind alle einer doppelten Lesart zugänglich – und das auf mehreren Ebene. Der Regisseur transportiert in ihnen nicht nur eine Geschichte und einen eigenen Stil, sondern liefert darüber hinaus (s)eine Sichtweise, wie der Filmdiskurs überhaupt beschaffen ist: in seiner Erzählstruktur, als Medium und als Gegenstand der Analyse.

An drei Beispielen versuche ich zu zeigen, wie diese Verdopplungen im Werk David Lynchs deponiert sind. Ich verfahre dazu mehrgleisig. In den drei Hauptkapiteln beschäftige ich mich mit den Ebenen der Verdopplung, vom untersten Level, der Erzählung, über das Level des Mediums, bis zum obersten Level, der (Film-)Theorie. Exemplarisch analysiere ich einen der drei Filme David Lynchs innerhalb jeweils eines Levels: für die Erzählung BLUE VELVET, für das Medium TWIN PEAKS – FIRE WALK WITH ME und für die Theorie LOST HIGHWAY. Im Vordergrund steht dabei immer die Methode der ästhetischen Ver-dopplung, die ich hier nicht nur als postmoderne Ästhetik verstehen möchte, sondern – erweitert – als Methode der Reflexion, Selbstreflexion und Referentialität überhaupt. Es wird sich zeigen, dass die ausgewählten Filme alle Kennzei-chen solch einer Verdopplung enthalten.

Die Methode der "Verdopplung" selbst, lässt sich methodologisch nicht eindeutig einordnen (und reflektiert auf diese Weise ihren Bezug zum Metho-denpluralismus in der Postmoderne). Hermeneutisch und werkimmanent ar-beitet sie innerhalb der Detailanalyse. Werktranszendent in der Psychoanalyse, der Soziologie, der Semiotik/Dekonstruktion, des Biografismus und der Inter-textualität. Dieser Methodenkanon wiederum findet seine "verdoppelte" An-wendung dadurch, dass sich die Filme mit ihm analysieren lassen und dass er selbst in den Filmen analysiert wird – der Autor uns sozusagen "seine Sicht der Theorie" liefert. Die Auswahl der Filme begründet sich auf ihrer Ähnlichkeit zueinander. Alle drei Filme erzählen im Kern Geschichten von Liebe, Gewalt und Familie. Sie zeigen alle drei den Einbruch des Unheimlichen in die Welt des Heimlichen. Sie stehen repräsentativ für das Œvre David Lynchs. Alle weiteren Arbeiten des Regisseurs (seit THE ELEPHANT MAN) ließen sich analog untersuchen, werden je-doch aus Platzgründen nur kursorisch Eingang in die Arbeit finden.

Die hinzugezogene Sekundärliteratur setzt sich aus Monografien und Auf-sätzen zu David Lynch und seinen Filmen zusammen. Hinzugezogen werden außerdem Interviews mit dem Regisseur, die Intertextualitäten, Motive und Symbole analysieren helfen. Obwohl David Lynch sich so gut wie nie über die »Bedeutung« seiner Filme äußert, offenbaren die Interviews die Denkweise des Regisseurs recht genau. Der Methodenteil fußt auf drei zentralen Texten: den Buchkapiteln "Ein postmodernes Weltbild aus den USA" und "Die Methode Lynch: Zeichen und Wunder" von Georg Seeßlen, dem Essay "Keine andere Wahl, als es Ecos Liebhabern gleich zu tun" von Franz Derendinger und dem Essay "Was ist postmodernes Kino? – Versuch einer kurzen Antwort auf eine schwierige Frage" von Ernst Schreckenberg.

Sequenzprotokolle und Segmentübersichten zu allen drei Filmen sind in einem Anhang mitgeliefert. Bilder ergänzen die Analysen.


Rezension in der Zeitschrift "MEDIENwissenschaft", 1/2002 :

"[…] Höltgen zieht für seine Analysen die Ergebnisse der Sekundärliteratur heran. Er untersucht Blue Velvet, Twin Peaks: Fire Walk with Me und Lost Highway, wobei der formale und inhaltliche Aufbau der Filme differenziert dargestellt wird. Ergänzt werden die Analysen und Feinanalysen durch mustergültige Sequenz- und Einstellungsprotokolle. Höltgen widmet sich in jedem Hauptkapitel einer unterschiedlichen Facette der "ästhetischen Verdopplung", worunter er (nach einer Definition Franz Derendingers) die Kodierung des Films "jenseits seiner eigenen Handlung auf einer zweiten Ebene" versteht (S.5). Dadurch würde "[d]em Betrachter des Kunstwerkes […] an jeder Stelle vor Augen (und im Gedächtnis) gehalten, dass er ein Kunstwerk betrachtet" (ebd.). Im Resümee über Blue Velvet heißt es: "Fast scheint es so, als habe Lynch der Doppelcodierung seiner Filmbilder mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als der Geschichte, die er erzählen will." (S.47). Die Analyse von Lost Highway dreht sich um Formen medialer Selbstthematisierung. Im Ausblick verweist Höltgen auf die Rolle Lynchs als Filmtheoretiker. Wer sich als Medienwissenschaftler für das filmische Oevre David Lynchs interessiert, kommt an diese[m Buch] nicht vorbei. […]" – Matthias Kunzina (Walsrode)

Rezension von Martin Jehle in "titel – Magazin für Literatur und Film"

Rezension von Christiane Mathes auf "literaturkiritk.de"