Im Wintersemester vertrete ich am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Halle die Professur „Medien- und Kommunikationswissenschaft“. Im Rahmen dessen gebe ich dort vier Lehrveranstaltungen. Zusätzlich habe ich einen Lehrauftrag an der Universtität Bonn im Fach Medienwissenschaft übernommen:
An der Universität Halle:
Mo., 10-12 Uhr, Vorlesung (BA): Spiel, Wirtschaft! Wirtschafts- und Handelssimulationen als Computerspiele
Die Simulation ökonomischer Prozesse gehört zu den ältesten nicht-militärischen Anwendungen für (nicht nur elektronische) Computer. Bereits in den 1940 Jahren tauchen erste Rechner (z.B. MONIAC, 1949) auf, die es Ökonomen ermöglichen sollten volks- und betriebswirtschaftliche Daten zu kalkulieren und Handelsverläufe in großer Komplexität zu simulieren. Aus der Perspektive der ökonomischen Spieltheorie und einer weiten Definition von Computerspiel gehören solche Prozsse bereits in die Domäne des Ludischen. Spätestens jedoch mit der Popularisierung der Computertechnik in den 1970er Jahren entstehen auch Simulationen, die tatsächlich ganz unterschiedliche Wirtschaftssysteme und Handelsbereiche „gamifizieren“ und mit unterschiedlichen Ästhetiken und Mechaniken für Privatleute durchspielbar gestalten.
In der Vorlesung werden grundsätzliche Überlegungen zur Archäologie der Wirtschaftssimulationen (als Spiele) vorgestellt und an ausgewählten ökonomischen (Max Weber, Adam Smith, Niklas Luhmann) sowie Spiel- und Medientheorien des Spiel(en)s und des Geldes (Jochen Hörisch, Claus Pias) reflektiert. In jeder Sitzung steht dazu ein spezifisches Spiel im Zentrum der Betrachtung, an dem die Entwicklung des Genres, die Algorithmik und Programmierung und die diskurshistorischen Anschlussmöglichkeiten vorgestellt werden. Ziel ist es dabei, eine Theorie, Epistemologie und Genealogie der gespielter Ökonomie nah am konkreten Objekt zu skizzieren, also computerisierte ökonomische Simulationen und ökonomische Theorien miteinander in den Dialog zu bringen.
Mo., 14-16 Uhr, Mediengeschichte (MA): Game Labs. Computer(spiel(geschichte)), hands-on
Kaum ein medientechnisches Artefakt sträubt sich seiner nachträglichen „Beschreibung“ so sehr, wie das Computerspiel. Weder Texte, noch Screenshots, noch Filme vermögen das Wesen des Spiel(en)s so zu erfassen, dass sich daraus medienspezifische Erkenntnise abstrahieren ließen. Denn Spielen ist real, interaktiv, zeitkritisch und ephemer: Es findet stets im Hier und Jetzt statt, ist ein singulärer, prinzipiell nicht wiederholbarer Prozess und stets eng an die medientechnischen (physikalischen, elektronischen, kybernetischen) Dispositive gekoppelt. Dies macht nicht nur eine spezifische Medientheorie der Computerspiele erforderlich, welche sich von Theorien anderer Medien unterscheidet, sondern koppelt medienadäquate Forschung und Lehre auch an experimentelle Praktiken. Aus diesem Grund entstehen seit etwa zehn Jahren an zahlreichen Forschungs- und Lehreinrichtungen spezifische Game Labs, in denen Computerspiele und die für sie notwendigen Plattformen sowie Materialien zu ihrer techniknahen Analyse gesammelt werden und in denen die Möglichkeit besteht, Spiele forschend zu spielen.
Im Seminar werden auf Basis unterschiedlicher Materialen (vor allem wissenschaftlicher Texte, Kataloge und Erkenntnissen aus der Ringvorlesung) verschiedene Arten und Arbeitsweisen von Game Labs diskutiert. Auch das gerade am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstehende Game Lab soll dabei in seinen Potenzialen (für die hiesige Forschung und Lehre) aspektulaisiert werden, indem erste studentische Projektideen für das Lab ausgearbeitet werden.
Mo., 16-18 Uhr, Mediengeschichte (MA): Computing Germany
Der (sogenannte) Computer wurde weder an einem bestimmten Ort noch zu einem konkreten Zeitpunkt erfunden – er stellt vielmehr einen technischen Sublimationspunkt facettenreicher Diskurse und Dispositive dar. Selbst dem gleichzeitigen Aufkommen digitaler Computer in drei verschiedenen Ländern ging die Entwicklung anderer Geräte wie Analogcomputer, Logikmaschinen und Rechenmaschinen/Comptometer u. ä. voraus, die Vorgänger oder Alternativen darstellten. Insofern kann die Rolle deutscher Theoretiker und Ingenieure nur im Kontext einer Epistemologie des maschinellen Rechnens verstanden werden, die bis ins antike Griechenland zurückreicht. Vor diesem Hintergrund versucht das Seminar, die Ideen und Erfindungen, die in Deutschland angenommen, weiterentwickelt und zu technischen Apparaten verdichtet wurden, in einem substanziellen historischen, epistemologischen und technologischen Rahmen zu diskutieren. Dies wird mit Methoden der Medien- und Computerarchäologie realisiert. Jede Sitzung konzentriert sich dafür auf einen bestimmten „Knoten“ innerhalb des Diskursnetzwerks, das sich über einen Zeitraum von fünf „Germanies“ (vom späten 18. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre) erstreckt, um die Theorien, Technologien, Praktiken und Politiken von Computern und Computing in ihren Kontexten zu untersuchen.
Wissenschaftliche Texte sowie studentische Präsentationen werden in jeder Seminarsitzung als Diskussionsgrundlage verwendet. Bezieht sich das jeweilige Sitzungsthema auf ein Gerät, wird es „hands-on“ (greifbar/real oder als Emulation) präsentiert. Im letzten Drittel des Seminars finden Exkursionen in das „Rechenwerk Halle“ statt, wo sich die deutschlandweit größte Sammlung von DDR-Computertechnik befindet. An einzelnen Exponaten des Museums werden technische Entwicklungen und technologisch/theoretische Alternativkonzepte vorgeführt, die Besonderheiten der deutschen Computerindustrie vorführen.
Alle notwendigen Materialien werden vom Dozenten/Dozenten online zur Verfügung gestellt. Vorkenntnisse (Technik, Mathematik, Programmierung o.ä.) sind für die Teilnahme an dieser Lehrveranstaltung nicht erforderlich, die Studierenden sollten jedoch offen für die oben genannten Themen sein.
Di., 16-18 Uhr, Kolloquim Wissenschaftsprojekt (MA): Die Welt der Game Labs
Flankierend zum Seminar „Game Labs. Computerspielgeschichte, hands-on“ werden im Kolloquium nach Art einer Ringvorlesung verschiedene nationale und internationale Computerspielsammlungen, -museen, -archive und Game Labs vorgestellt. Dabei sollen sich sowohl Möglichkeiten der Schwerpunktbildung, der theoretischen Fundierung und der praktischen Implementierung von Sammlungen zeigen als auch praktische Fragen, wie Preservation, Instandhaltung, juristischer Status und Integration in Forschungs- und Lehrkontexte reflektiert werden.
An der Uni Bonn gebe ich ein Blockseminar:
Fr. 22.11.24, 12-16 Uhr & Fr./Sa. 07/08.02.25, 9-18 Uhr, „Modul: Medien und Kritik“ (MA): Code\Critik. Hermeneutische Annäherungen an eine Programmierkultur.
Die Critical Code Studies versuchen Computerprogramme und ihre Sourcecodes als Textsorte zu verstehen, die – wie literarische und Gebrauchstexte – in diskursive Strukturen eingebettet ist, aus diesen hervorgeht und sie beeinflusst. Dabei liefern Codes Hinweise auf ihre Entstehungsbedingungen, Autor:innen und angenommenen Nutzungsumgebungen. Im Kurs wollen wir anhand einer einfachen Programmiersprache (BASIC) und auf Basis einer 2013 im Umfeld der Critical Code Studies und Software Studies erschienenen Publikation dazu einen Einblick in diese Form der Medienkritik bekommen. Das Blockseminar gliedert sich hierzu in drei Einheiten:
Am 22.11.2024 wird es eine Einführung in die Programmierung mit BASIC auf dem Commodore 64 im CI-Lab geben. Nach einer historischen und technischen Hinführung wird die Sprache hands-on an Beispielen vorgestellt und historische Quellen mit BASIC-Programmcodes als Grundlagen für erste Analysen genutzt.
Am 01.02.2025 findet eine Diskussion ausewählter Kapitel des oben genannten Buches statt. Hierzu stellen einzelne Kursteilneher:innen oder Gruppen die Kaptel im Zusammenhang mit dem Gesamttext vor.
Am 08.02.2025 findet eine gemeinsame Lektüre von historischen Programmcodes in der Programmiersprache BASIC statt, um spezifische Elemente kritischer Codelektüre daran zu erproben.
Vorkenntnisse in Computerprogrammierung sind nicht notwendig. Eigene Laptops können verwendet werden; die Programmierumgebung wird aber sowohl auf den iMacs im CI-Lab als auch auf den dort aufgestellten Original Commodore-64-Computern zur Verfügung gestellt. Die Literatur wird vom Dozenten als Download vorab zur Verfügung gestellt.