Triggerevents

Am Donnerstag ist es soweit: Dann wird unsere Implementierung von „Tennis for Two“ auf dem Workshop „Think Analogue!“ vorgestellt. Eines steht schon fest: Das Spiel, das Higginbotham 1958 vorgestellt hat, wird es nicht sein. Wir haben uns enge Grenzen gesetzt: Allein auf einem Analogcomputer sollte so viel wie (uns!) möglich gesteckt werden, ohne dass externe Hilfsmittel angebaut werden. Dies war Higginbotham und allen, die das Spiel nach ihm rekonstruiert haben, nicht möglich. Der Grund dafür ist, dass die damals zur Verfügung stehenden Analogcomputer über nicht genügend Operationsverstärker verfügten. Einige der nicht zur zentralen Spielphysik gehörenden „Funktionen“ benötigen jedoch eine Vielzahl solcher Verstärker, wie wir jetzt selbst erfahren mussten: Allein für die Spielfeldgleichung würden mindestens sechs benötigt (drei für die stabile Sinusfunktion, 2 für eine Dioden-idealisierte Betrags- und einer für die Signum-Funktion). Für die Eingabe würden zusätzlich zwei Operationsverstärker benötigt (zwei Invertierer) sowie zwei Komparatoren, um eine „entprellte“ Tastensteuerung zu ermöglichen.

Um letztere haben wir uns heute gekümmert. Nachdem sich gezeigt hat, dass die Atari-Paddles unsaubere (eben: nicht entprellte) Signale liefern, die den Ball nach einem Anschlag immer noch mindestens ein weiteres mal anschlagen und damit die Flugbahn verfälschen, haben wir uns auf eine zwar diskrete, aber immer noch mindestens genauso traditionsreiche Schaltung zurück besonnen. Wie Bernd Ulmann vorschlug, konstruierten wir uns eine Monoflop-Schaltung, die nach Trigger-Eingabe einen zeitlich exakt definierbaren Impuls ausgibt, welchen wir daraufhin in die Spiel-Schaltung einfließen lassen.

Einer der beiden Trigger-Controller

Wir haben dazu zwei alte Videospiel-Drehregler ausgeschlachtet, Mini-Platinen darin eingebaut und mithilfe des Timerchips NE555 das Monoflop aufgebaut. Der NE555 ist zwar eine integrierte Schaltung, aber eine mit besonderer Tradition. Eingeführt wurde der IC 1971 von der Firma Signetics und löste damit die ebenfalls dort hergestellten analogen Timer, die auf Basis von Komparatoren und Operationsverstärkern funktionierten, ab. Diese Bauteile fanden sich nun auf einer integrierten Schaltung im Baustein NE555 wieder. Dieser besondere historische Umstand schien uns Rechtfertigung genug für seine Integration in unser Spiel – zumal er ohnehin nur in den Controllern wirkt:

Trigger-Schaltung im Controller

Nachdem Johannes herausgefunden hatte, wie (nämlich mit jeweils gegensätzlicher Phase) und wo die Trigger-Impulse in die Komparator-Schaltung zu integrieren sind, waren im Prinzip nur noch die Koeffizienten-Potentiometer so einzustellen, dass der Knopfdruck an der Steuerung den Ball auf einer „schönen“ Parabel in die entgegengesetzte Richtung spielt. Das sieht jetzt so aus:

Wie man sieht, wurde aufgrund des Operationsverstärker-Mangels auch meine Überlegung zur Spielfeld-Gleichung obsolet: Sie lässt sich auf der RA742 einfach nicht mehr aufbauen. Dazu benötigen wir entweder einen zweiten Analogcomputer oder eine diskrete Schaltung, die zwei Steuerimpulse für die Kathodenstrahlen des Oszilloskops generiert; allerdings müsste das an der RA742 angeschlossene Oszilloskop dann 3-strahlig sein (es besitzt aber nur zwei Kathodenstrahlen). Higginbotham hatte hierfür einen Multiplexer konstruiert, der sein einstrahliges(!) Oszilloskop so steuerte, dass der eine Kathodenstrahl gleichzeitig den Ball und die beiden Feldlinien zeichnete. Das ging aber natürlich allein deshalb, weil er eine externe Schaltung angeschlossen hat.

Der geöffnete Controller

Auf dem Workshop werden wir also das auf Folie „analog gemalte“ Spielfeld einsetzen und damit quasi das Reglement visuell vorweg nehmen: Die Spieler selbst müssen die Einhaltung der Regeln im Auge behalten, weil die Elektronik bereits mit der Spielphysik und der Steuerung ausgelastet ist. Verschiedene Möglichkeiten bieten sich hier an: eine Art Federballspiel, bei der der Ball den Boden nicht berühren darf. Oder ein Spiel, bei dem der Ball nicht an den äußeren Enden des Darstellungsbereiches angekommen darf (wo er in unserer Schaltung in x-Richtung ausgebremst wird und nur noch auf und ab hüpft). Durch Abziehen eines Triggers und Rekonstruktion der ursprünglichen Komparator-Schaltung ließe sich das Spiel sogar zu einem „Squash for One“ umfunktionieren.

Die Trigger-Schaltung

Über die peritextuellen Spielregeln werden wir uns zu dritt am Schluss Gedanken machen und sie auf einem der zum Spiel ausgehängten Plakate genau definieren.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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