DAU = Digital-Analog-Umsetzer

Am Wochenende fand der erste Block zum Thema „Spiele(n) auf dem Analogcomputer“ statt; eine Ergänzung zu meinem Seminar „It’s more fun to compute! Spieleprogrammierung unter BASIC“. Da das Programmier-Seminar reichlich überfüllt war, habe ich die Gruppe kurzerhand getrennt und einige der Studenten, sowie mein Kollege Johannes und ich haben uns entschlossen, eines der ersten Computerspiele, das 1958 am Brookhaven National Laboratory entstand, auf einem unserer institutseigenen Analogcomputer nachzubauen: So soll nun bis Semesterende auf dem Telefunken RA 742 das Spiel „Tennis for Two“ nachgesteckt werden.

Als Vorstufe dazu nutzen wir den in der Anleitung des RA 742 vorgegebenen Steckplan für einen „Ball im Kasten„, den Bernd Ulmann, der Inhaber des Analogcomputer-Museums, kürzlich zu einem „Squash for One“ erweitert hat, wie er in einem Video zeigt:

Ulmann, der uns bei der Arbeit an „Tennis for Two“ dankenswerterweise als Berater zur Verfügung steht, weist in diesem Video bereits darauf hin, was zur Erweiterung seines Schaltplans für ein interaktives Tennis für zwei Spieler noch vonnöten ist. Wir wollen uns dabei soweit wie möglich am Originalschaltplan des Spiels von Higinbotham orientieren. Soweit sind wir an diesem Wochenende jedoch noch lange nicht gekommen, denn zunächst galt es, die Grundvoraussetzungen der Analogcomputerprogrammierung – insbesondere die Physik, Elektronik und die damit zusammenhängende Mathematik – „aufzufrischen“, um sie dann später in höhere Mathematik der Differenzial- und Integralrechnung für spezifische Schaltungen, die Analogien zu natürlichen Vorgängen darstellen (etwa Wurfparabeln, elastische Stöße, Reibungs- und Luftwiderstände etc.), einfließen zu lassen.

Leybold-Haeraus Ausbildungsanalogcomputer mit Kreisschaltung
Der Leybold-Haeraus mit der von Felix gesteckten Kreisschaltung (Oszi unten)

Telefunken RA 742Als Experimentalsystem steht uns ein Leybold-Haeraus-Ausbildungsanalogcomputer (Bild oben)  zur Verfügung, auf dem mein Ex-Kollege Felix eine Schaltung für eine Kreisdarstellung auf einem angeschlossenen Oszilloskop „hinterlassen“ hat. Diese Schaltung haben wir zunächst elektronisch und dann mathematisch analysiert, um dem „Geheimnis“ der Programmierung von Integrierern und Addierern auf die Spur zu kommen. Es entstand dann die Idee, den schon fertigen Kreis vielleicht als einen „externen Ballgeber“ für das später auf der RA 742 (Bild rechts) zu steckende Spiel zu nutzen. Das wäre zwar nicht nötig, weil die RA 742 über ausreichend viele Operationsverstärker verfügt, aber dennoch eine schöne Hommage an Felix‘ Arbeit.

Eine andere Idee war es, das dann später fertige Spiel entweder mit dem Eingang eines Digitalcomputers zu koppel, um eine Punktezählung in das Spiel zu integrieren (in Higinbothams Original gab es so etwas natürlich nicht), oder vielleicht sogar die Digital-Einheit, die zur RA 742 gehört (Bild rechts, ganz unten), dafür zu nutzen, um aus deren logischen Elementen einen solchen Zähler zu bauen (und die Punkte dann z.b. durch leuchtende/nicht leuchte LEDs anzuzeigen). Auch hier müssen wir uns erst schlauer machen; meine Exkurse in die Logikprogrammierung unter Assembler dürften da aber ganz hilfreich sein.

Schlussendlich soll das Spiel auf dem im April stattfindenden Workshop „Think Analog!“, den Wolfgang Ernst und Bernd Ulmann hier an der Berliner Medienwissenschaft durchführen (und in dessen Planung ich stark envolviert bin), als spielbare Version vorgeführt werden. Bei meinem letzten Besuch des Computerspielemuseums habe ich den Leuten dort bereits von diesem Plan erzählt und großes Interesse geerntet. Vielleicht wird daraus also noch etwas für einen größeren Interessentenkreis.

Ich werde versuchen in der nächsten Zeit hier Bericht vom Fortgang des Projektes zu erstattet.

P.S. Das Akronym „DAU“ in seiner Bedeutung „Digital-Analog-Umsetzer“ stammt übrigens aus einem Handbuch zu einer Erweiterung des Robotron KC 85. Die DDR-Ingenieure war da mal wieder Kryptowitzbolde. (Wie schon bei der tollen Idee, ihr „Cassetten-Operations-System“ CAOS zu nennen.)

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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