Mind Invasion

Ju-On: The Grudge (Jp 2002, Takashi Shimizu) (DVD)
The Grudge (Jp/D/USA 2004, Takashi Shimizu) (DVD)

Auf der Zugfahrt nach Bonn habe ich mir endlich einmal das Original von „The Grudge“ angesehen – also den ersten Teil der japanischen Version Shimizus. Es mag am diese Sujets nicht gerade begünstigendem Rezeptionsort „ICE-Großraumabteil“ und der Tageszeit (Vormittag) gelegen haben, aber gruselig war das nun gar nicht. Darauf hatte ich es aber auch nicht abgesehen, sondern auf die Frage, in welchen Aspekten sich die beiden Versionen voneinander unterscheiden. Und Kleinigkeiten sind es nun wirklich nicht, sondern die gesamte Dramaturgie des Originals ist anders. Der Film ist wesentlich episodenhafter, verzichtet weitgehend auf einen Spannungsbogen und führt viel mehr (und viel mehr) Facetten des titelgebenden Fluchs vor Augen.

Der wesentliche Unterschied zur US-Fassung ist für mich jedoch die Organizität des Re-Makes, das zwar einzelne Episoden der Ur-Fassung adaptiert (und das sogar zum Preis der narrativen Inkonsistenz, wie sich am Tod der Schwester, der ja weit entfernt des verfluchten Hauses stattfindet, zeigt), sich jedoch wesentlich mehr als „abendfüllender Spielfilm“ gibt. Es ist eher diese Tatsache, als dass in „The Grudge“ auch westliche Figuren zu sehen sind, die den Reiz und die höhere Affektivität des Films ausmachen. Zwei Übertragungsleistungen kommen also schon einmal zusammen: eine „Interkulturalisierung“ durch Plot und Darsteller sowie eine Anpassung an Genremuster und Rezeptionsgewohnheiten des westlichen Kinos.

Und dennoch steckt die Tücke auch hier im Detail und es wäre einmal spannend sich solche Fragen zu stellen wie: Warum ist das Bettlaken der zurückgelassenen Großmutter im japanischen Original mit Kot verschmiert und in der US-Fassung mit Urin? (Ich habe das mal als besonders deutliches Detail stellvertretend für Dutzende andere Minimalveränderungen ausgewählt). Letztlich müsste man sich fragen, welchen Beitrag diese Details leisten, die ja für sich genommen keine besondere (Be)Deutung besitzen, im Gesamtzusammenhang aber vielleicht stimmig wirken und Stimmung erzeugen.

Beide Filme hatte ich wegen des Absolventen-Kolloquiums bei Michael Wetzel gesehen. Das japanische Original im Vorfeld, das US-Remake zusammen mit den Teilnehmern nach dem Vortrag und zur Illustration meiner Geister-These (dass nämlich der Geisterfilm den Endpunkt der Privatheits-Bedrohung darstellt). Und es war schön zu sehen, wie sehr solche Filme auf Zuschauer, die es nicht gewohnt sind, wirken. Wie sehr wünsche ich mir manchmal diese Empfindlichkeit zurück! Und doch: Wenn ich im Kino sitze und einen richtig guten Gruselfilm zum ersten mal sehen, dann packt es mich auch – das war bei „Blair Witch“ so, bei „Shutter“ und auch als ich zum ersten Mal „The Grudge“ gesehen habe … allerdings die US-Fassung.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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