»I can’t stop playing but you can!«

Nirvana (It/F/UK 1997, Gabriele Salvatores) (VHS)

Der letzte Film, den ich für den vierten Teil meiner „Computer im Film“-Reihe gesehen habe … und irgendwie doch nicht, denn ich habe „Nirvana“ bereits vor 4 Wochen gesehen und habe zwei Anläufe dafür gebraucht und mehrere Anläufe für einen Filmtagebuch-Eintrag dazu. (Das wäre also auch mal zu ergründen.) Aber gut …

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Erzählt wird die Geschichte des Spielprogrammierers Jimi Dini, der ein recht realistisch wirkendes Adventure für den Konzern „Okosma Starr“ entwickelt hat, welches kurz vor der Markteinführung steht. Als der kürzlich von seiner Freundin verlassene Jimi einsam in seinem Luxus-Appartement sitzt und sowohl das Abendessen als auch ein Schaumbad, das ihm vom Wohungscomputer angeboten wird, ablehnt, entdeckt er, dass mit „Nirvana“ – so heißt sein Spiel – etwas nicht stimmt. Eine der Spielfiguren scheint so etwas wie Selbstbewusstsein entwickelt zu haben. Es handelt sich um „Solo“, den Helden des Spiels, der sich nicht nur daran erinnert, bestimmte Spielszenen schon einmal „durchlebt“ zu haben, sondern auch Kontakt zu seinem Programmierer aufnimmt und von diesem von seiner Misere erfährt. Jimi findet heraus, dass „Nirvana“ von einem Virus infiziert wurde, der genau diese Entwicklung verursacht hat. Da er das Spiel bereits an Okosama Starr abgeliefert hat, die verzweifelte Existenz Solos jedoch beenden will, macht er sich auf dem Weg aus seinem Appartement zum Spieleentwickler, um sein Elaborat zu vernichten.

Auf seinem Weg begegnet er zunächst dem Insider „Joystick“, der für ihn Autos knackt und ihn mit Kontakten und Informationen versorgt. Beide zusammen suchen die junge Hackerin Naima auf, in die sich Jimi verliebt. Mit ihrer Hilfe findet er auch heraus, warum seine Freundin ihn verlassen hat und dann in eine Art Kloster gegangen ist: Dort wird nämlich ein Bewusstseins-Chip von ihr aufbewahrt, den sich Naima in eine Schnittstelle über der Augenbraue einsteckt und dann auf einmal so ist wie die Exfreundin von Jimi. Das führt zur Klärung der Situation und zu Geschlechtsverkehr zwischen den beiden. Mittlerweile haben auch die Agenten von Okosama Starr entdeckt, dass da jemand an „ihre“ Daten will und Agenten losgeschickt, die Jimi an seinem Vorhaben hindern sollen. Es kommt zu einem Showdown, an dessen Ende natürlich das Gute siegt und Solo mit samt dem Spiel gelöscht wird.

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So, und jetzt weiß ich auch wieder, warum ich mich so gesträubt habe, den Film zu Ende zu sehen und den Text zu beginnen: Weil er einfach total wirr erzählt ist und weil er ausschließlich aus Versatzstücken anderer dystopischer Science-Fiction-Filme besteht. Das Beginnt bei der Welt von „Blade Runner“ und endet bei der Erzählung von „Welt am Draht“. Und dennoch hat „Nirvana“ natürlich einiges, was ihn für mein Vorhaben interessant macht. Da wären zuerst „Motivüberlappungen“ mit Filmen wie „Brainscan“ (ein Computer verwaltet Wohnung und Leben des Users), die hyperrealistische Spielegrafik (Brainscan, Thrillkill, …) und natürlich so kleine Gimmicks, wie, dass der Ausgang aus der virtuellen Welt mit in diese einprogrammiert wurde: Es ist ein Schrank, durch den man auf eine „Tron“-artige Landschaft blickt.

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Über dies verhandelt „Nirvana“ das Thema der künstlichen Intelligenz, die ja gerade bei der Spiel-Entwicklung nicht ganz unwichtig ist, auf gleich mehreren Ebenen. Zum einen wird Selbstbewusstheit als ein Aspekt der KI angesehen – wobei es schon interessant ist, dass diese als Ergebnis eines Virus-Infektes daherkommt. (Das ist ja ein bekannter SF-Topos – man denke an die „Moriati“-Folgen aus „Star Trek“ oder an den Film „Short Circuit“: „Leben ist doch keine Fehlfunktion!“ Ich meine aber, es gäbe auch eine Evolutionstheorie, in der Intelligenz eher als hinderliches Abfallprodukt beschrieben wird. Wäre ja nur konsequent, wenn Intelligent so etwas wie Verhütungsmittel hervorbringt.) Dann haben wir die Frage der möglichen Materialisierbarkeit von Immateriellem, wie dem Bewusstsein, das sich tatsächlich, wie im Falle von Jimis Freundin, vollständig digitalisieren lässt. Und schließlich kommt ein Aspekt zum Tragen, der vielleicht der „biologischste“ unter den hier genannten Aspekten ist: Das Programm(segment) Solo versucht sein Umfeld zu verändern, indem er die Spielsituationen variiert, andere Spielfiguren mit „Zweifeln“ infiziert und so seiner Existenz zu einer etwas komplexeren Umgebung verhelfen will.

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Man kann das alles natürlich als Naturalisierungsbestrebung sehen, bei der hochgradig abstrakten Vorgängen und Gegenständen (wie sie die Software nun einmal darstellt) eine Visualität und Körperlichkeit zugesprochen wird, um sie einerseits filmisch darstellbar zu machen und sie andererseits zu „entzaubern“. Dieser Strategie folgt dann auch etwa die Darstellung des Computerspeichers als Haus, bei dem Jimi durch Räume gehen muss, um zum zentralen Gedächtnis zu gelangen. Der Schrank als Schnittstelle wäre dann auch nur eine solche „Substantivierung“.

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Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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