Notizen für den Wundenblock

Book of Blood (UK 2008, John Harrison) (Cinemax, FFF-Nights)

Auf diesen Festival-Beitrag war ich am meisten gespannt. In Barkers „Books of Blood“ bildet die Erzählung den Auftakt und gleichsam die Rahmenhandlung, denn die einzelnen Geschichten sind eben jene von den Geistern in die Haut geritzten Erlebnisse, die zu ihrem (oft gewaltsamen) Tod geführt haben. Die etwa 20-seitige Erzählung berichtet von einem Scharlatan, ein junger Mann, der sich als Medium ausgibt und in einem Haus, in dem sich „wirklich“ die Bahnen der Geister kreuzen, vorgibt, Botschaften von diesen zu empfangen. Das gefällt den Geistern nun wiederum gar nicht und irgendwann bemächtigen sie sich seiner, um sich tatsächlich durch ihn auszudrücken.

Der Film kürzt nichts aus der Vorlage, erweitert diese jedoch mit einer Rahmenhandlung und weiteren Figuren und Erzähldetails, damit er seine 90 Minuten zu füllen in der Lage ist. Da Barkers Stil sehr visuell und plastisch ist (das konnte man schon an der Adaption von „Midnight Meat Train“ bewundern), liefert die Literatur bereits die Bildvorlagen für den Film, die Harrison auch dankbar aufgreift. Dort, wo sich der Text allerdings mit Metaphern und Vergleichen begnügen muss – etwa bei der Beschreibung jener Geisterstraßen – kommt der Mehrwert des Films erst voll zur Geltung und „Book of Blood“ liefert einige atemberaubende und zugleich tragische Darstellungen der Geisterwelt.

Das der Erzählung wie dem Film zugrunde liegende Phantasma, dass die Haut eine Schreibfläche und das Blut auch Tinte sein kann, ist natürlich schon bei Barker nicht neu. Kafkas „In der Strafkolonie“ benutzt nicht nur ein ganz ähnliches Motiv. Das moralische Korsett, in welchem nach der Verbindung von Schuld, Gesetzt und Schrift gefragt wird, findet in „Book of Blood“ lediglich eine Variante zur kabbalistischen Punitätsutopie bei Kafka. Seine religions- und rechtsphilosophischen Implikationen werden bei Barker und Harrison jedoch nur ganz vage als Schuld der Lebenden gegeüber dem Gesetz der Toten ausgeführt.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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