No more Mr. wise guy

Shocker (USA 1989, Wes Craven) (DVD)

Was für ein peinlicher Film! Craven hatte offenbar ein paar Notizzettel, auf denen Ideen standen, die alle Produzenten abgelehnt hatten und zusätzlich noch ein paar Seiten von „A Nightmare on Elm Street“ in der Tasche – woraus er dann diesen inkonsequenten und lächerlichen Horrorfilm gebastelt hat. So sehr er vielleicht auf versucht mit Augenzwinkern als Komödie daher zu kommen: Es gelingt ihm nicht. Mit Craven ist es letztlich dasselbe wie mit Argento: Die paar Glücksgriffe, die ihm gelungen sind, lassen kaum eine Aussage über sein Gesamtwerk oder gar sein Wirken als auteur zu, sondern sich höchstwahrscheinlich anderen an der Produktion beteiligten zuzuschreiben, wenn man sich anschaut, wie es um das gros seiner Filme bestellt ist.

Nachtrag:

Meinen eher in den Bereich der Filmkritik gehörenden Aussagen möchte ich noch ein paar Worte von der Warte der Medientheorie hinzufügen. “Shocker” bedient als Horrorfilm natürlich vor allem Ängste – hier Ängste vor der Unheimlichkeit des Unsichtbaren. Dieses Unsichtbare findet seinen „Gegenstand“ einerseits im elektrischen Strom, andererseits in den elektrischen Medien (hier vor allem: dem Fernsehen). „Shocker“ ist vollgestellt mit TV-Monitoren und der letzte Zufluchtsort des Killers ist dann auch der “Äther”. Das reaktionäre Element des Horrorfilms (der häufig auf die Unheimlichkeit des Neuen insistiert und daraus seinen Horror generiert) ist hier also vor allem in der schon 200 Jahre alten Unheimlichkeit vor der Unsichtbarkeit des elektrischen Stroms zu suchen.

Die Physik um 1800 war sehr damit beschäftigt, die Elektrizität ihrer Unsichtbarkeit zu entreißen ist dabei jedoch lediglich auf “Symptome des Elektrischen” gestoßen. Im Film sind diese Symptome in zwei Klassen eingeteilt: 1. direkt mit dem physikalischen Phänomen der Elektrizität verbundene Indexe: Kabel, Schalter, Funken, Knistern, Flammenbögen, … 2. In indirekte, eher mit der Wirkung von Elektrizität verbundene Indexe: Diese reichen von der Induzierung elektrischer Schläge durch Bberührung eines elektrifizierten Gegenstandes (Körper, Kabel, …) bis hin zur Manifestation des Unsichtbaren im Gespenst – eine Tendenz, die ebenfalls im 19. Jahrhundert ihren Ursprung hat, die Wolfgang Hagen bereits ausführt:

Als künstlich-irdische Quelle aber erzeugt Elektromagnetismus das Gegenteil dessen, was erst die Jahrhundertwende ebenfalls zum weitrechenden Thema gemacht hat, nämlich: Gestalt. Gestalt mußte offenbar zum kunsttheoretisch wirksamen Leitbegriff werden in dem Augenblick, wo menschheitsgeschichtlich erstmals etwas wahrhaft Gestaltloses reproduzierbar war. Denn wenn `etwas‘ ohne alle Gestalt, ohne jedes Aussehen, fern aller menschlichen Wahrnehmbarkeit und Einbildungskraft liegt, dann, wie Feynman nicht ruht uns klarzumachen: Elektromagnetismus. Um die Jahrhundertwende wird das Phantasma der Gestalt der Gestaltlosigkeit bei Leadbetter, Beasant, de Rochas, Papus, Munch und Kandinsky zum Initiator von Sezessionen, ihre Existenz und die Möglichkeit ihrer Existenz steht für okkulte, unerklärliche Aggregatzustände der Wahrnehmung und neuer Bildsprachen, nach denen, seit 1875 theosophisch länderübergreifend propagiert, Kunst zu suchen sich aufgerufen fühlt, angeführt von der Künstlergeneration, die wie heute noch die europäische „Avantgarde“ nennen, um zu vergessen, wie stark okkultistisch durchtränkt sie war.
Ab 1890 wird eine wissenschaftliche Bewegung in England stark, die die Hertzschen Wellen zur Hoffnungsträgerin der „ESP“ erklärte, der Extra-Sensoric-Perception. Unter Mitwirkung bedeutender Physiker wie Crookes und Lodge, erforscht die „Society For Psychical Research“ in allem Ernst wissenschaftlicher Methodik „Gedankenübertragung“ und tischeversetzenden Gedankenmedien.

Die Gestaltwerdung der Elektrizität – in “Shocker” ist das Horace Pinker. Als böser Geist treibt er sein Unwesen in den Netzen der Elektrizität und des Fernsehens. Über Radio- bzw. TV-Wellen, so droht er, wird er überall hin gelangen. Nach Hagen ist die Hertz’sche Entdeckung der Radiowellen der Beginn des Massenmedienzeitalters, weil Massenmedien notwendigerweise elektrisch sein müssen, um wirklich instantan überall hin zu gelangen. Von dieser Überlegung ist es dann nur noch einen Schrift weit entfernt zur Deutung Horace Pinkers als Bild-gewordene Warnung vor den Effekten der Massenmedien und seine Bekämpfung durch den Okkultismus (Kette mit Wunderanhänger, Geistererscheinung Alisons) ist dann auch eher konsequent als “bloß lächerlich”.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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