Schneewittchen-Porno

Passend zur Sichtung des Schneewittchen-Pornos habe ich eine tiefenpsychologische Untersuchung des Märchens von 1935 gefunden:

„Wenn wir in der Annahme, daß das Verbleiben in der Zwergenhütte ein sehr verwischtes Überbleibsel des ‚Mädchen-Exils‘ sei, das Richtige getroffen haben, dann dürfen wir auch vermuten, daß für das Unbewußte der Aufenthalt Schneewittchens in der Hütte eine sexuelle Bedeutung habe. Auch wenn wir ‚Zwerg‘ und ‚Hütte‘ als Symbole deuten, so werden wir in diese Richtung gewiesen und können das Spielleben mit den Zwergen als eine Vorstufe von Schneewittchens späterem sexuellen Leben mit dem Prinzen ansehen. Wir können auch hier eine Andeutung der Masturbation finden. Wäre Schneewittchen in der Analyse und erzählte sie von ihrem Leben mit den Zwergen als von einem Traum, so würden vielleicht ihre Einfälle zu dem Traum darauf hindeuten, daß Zwerg für ihr Unbewußtes gleichbedeutend mit der Klitoris ist und die Hütte, in der sie hantiert, ihre Scheide bedeute, Phantasiert sich Schneewittchen in die Gebärmutter (Hütte) der Mutter zurück, wo sie mit den Kleinen Brüderchen spielte? […] Oder masturbiert Schneewittchen mit der Phantasie, den väterlichen Penis in ihrem Genitale zu haben? Der väterliche Penis – der dem kleinen Mädchen riesengroß erscheint – wird, wie es in der Traumsprache geschieht, durch das Gegenteil dargestellt – als Zwerg –, aber daß er versiebenfacht auftritt, verrät doch, wie mächtig ihn die Tochter denkt.“

Auszug aus: J. F. Grant Duff: Schneewittchen. Versuch einer psychoanalytischen Deutung (1934). In: Wilhelm Laiblin (Hg.): Märchenforschung und Tiefenpsychologie. Darmstadt: WBG 1975, S. 88-99, hier: S. 96f.

Liest man den obigen Text und vergleicht die Erkenntnisse daraus mit dem Plot des Pornofilms, dann ist es schon beinahe unheimlich, wie ähnlich sich beide sind – fast so als sei Grand Duffs Text das Treatment für den Film. Die sonst recht häufig belächelte tiefenpsychologische Märchenforschung könnte gerade im Spiegel der Pornografisierung des Märchens schon beinahe einen Beleg für ihre Plausibilität finden: Spieglein, Spieglein an der Wand …

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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Eine Antwort zu Schneewittchen-Porno

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