»Nein, Doktor: He has a little Willy.«

Hung Wankenstein (USA 2001, Jim Enright) (DVD)

Und abermals die Persiflage einer Persiflage: Enrights Film nimmt Mel Brooks‘ „Young Frankenstein“ aufs Korn und spooft ihn auf überaus witzige Weise nach Pornotopia:

Eigentlich ist William Wankenstein Tierarzt, aber in seine Praxis verirrt sich schon lange niemand mehr. Als eines Tages ein Bote kommt und ihm einen Stapel Dokumente überreicht, die belegen, dass er Nachfahre und Erbe des berühmten Barons Frankenstein ist, ändert sich sein Leben. Er glaubt reich zu sein und fährt nach Transsylvanien, um sein Hab und Gut zu besichtigen. Vor Ort trifft er auf den Hausdiener Igor, sowie die Laborantin Inga und die etwas steife Hausverwalterin Frau Stupor(!). Er erfährt, dass sein Ururgroß-Onkel Viktor Frankenstein (die Familie Wankensteins hatte den Namen in den 1930er ändern lassen, um nicht dauernd auf den gleichnamigen Film angesprochen zu werden) eine Kreatur hinterlassen hat, die ihrer Fertigstellung harrt. Im Kellerverlies findet er ein hünenhaftes Monster, das zu dessen Leidwesen mit einem nur sehr kleinen Penis ausgestattet ist. Also entschließt sich William, dem Monster ein größeres Organ zu verpflanzen, was ihm auch gelingt. Jedoch brennt danach Inga mit dem Monster nach Hollywood durch, um dort eine Pornofilm-Karriere anzuleiern und so bleibt William nichts anderes übrig, als sich ein neues Wesen zu schaffen: Dieses Mal eine Frau …

Zunächst einmal war ich überrascht, wie witzig der Film jenseits seiner Zotigkeit immer noch ist. Das liegt vor allem am Schauspiel (die Darsteller sind für das Genre ohne Ausnahme überqualifiziert) und an der überbordenden Selbstreflexivität: Bereits im Prolog wird der Zuschauer darüber aufgeklärt, dass die Figuren wissen, Darsteller eines Films zu sein, denn gerade als die Tierarzt-Helferin sich an ihrem Chef verlustieren will, betritt der Bote, der Wankenstein die Erbschaftspapiere gebracht hatte, abermals die Szene und fordert Wankenstein auf, nach Transsylvanien aufzubrechen und keine „valuable screen time“ zu verschwenden. Er tut’s und die stehengelassene Frau schnappt sich kurzerhand den Boten mit den Worten: „You owe me a sex scene. I was brought here to do a sex scene and I’ll be damned if the cheap-ass production manager let me get out of here paying me for just dialogue.“ Derartig geht es den gesamten Film weiter, Situationen werden bewusst auf das Pornosetting bezogen, Zweideutigkeiten werden als solche Benannt und wenn das Maß voll ist, gibt es auch schon einmal einen Blick in Richtung Kamera.

Interessant für meinen Zusammenhang ist das Monster-Konzept des Films. Der Monster-Darsteller scheint ein recht gut bestückter Wrestler oder Bodybuilder zu sein: Etwa zwei Meter groß und mit einer (von Natur aus) beachtlichen Penislänge, die man allerdings erst am Ende als „Ergebnis der Operation“ zu sehen bekommt. Der Diskurs des Films stellt ihn nämlich als unfertig dar und Wankenstein und Igor gehen erst zu einem Organhändler, um ein Stück in der richtigen Größe zu kaufen. Das einzig nicht monströse am Monster ist also zunächst sein Penis und das macht ihn zu einem Monster im pornografischen Sinne. Damit wird nicht nur das Frankenstein-Konzept (der in den Filmen zwar auch als männlich, aber eben nicht als triebhaft dargestellt wurde) verkehrt, sondern es zeigt sich auch, wie Erfolg im Pornobusiness funktioniert: Erst als dem Monster das neue Organ verpflanzt worden ist, scheint es für Genre-Verhältnisse „normal“ zu sein.

„Hung Wankenstein“ ist zudem ein Film des Übergangs. Das fantastische Monsterkonzept, das sich auf Wesen mit mythologischem Ursprung beruft und diese als Ungeheuer in die Pornofilmplots einbaut, wird hier zu einem „Sex Freak“-Konzept. Monster-Pornos ganz anderer Art sind nämlich solche, die jahrmarktsgleich echte körperliche Deformationen von Darstellern (wozu auch übergroße und übergroß gemachte Geschlechtsorgane zählen) ausstellen und damit besondere Fetische konstruieren. Das zwei Meter große Frankenstein-Monster und sein Riesen-Penis sind Teilnehmer beider Diskurse.

P. S. Das Monster leidet nach Aussage Igors selbst unter seinem zu kleinen Penis, seit dem es einen Ron-Jeremy-Film gesehen hat. Es bekam dadurch „Penisneid“. Ron Jeremy hat einen Gast-Auftritt in „Hung Wankerstein“. Er ist jener Ururgroß-Onkel Williams, der Baron Victor Frankenstein. In der obigen Szene sehen wir ihn, wie er mit seiner Assistentin Frau Stipor ein Stelldichein hat. Sie soll ihm über seine Ehe-Probleme hinweghelfen, damit er sich ganz auf die Forschung konzentrieren kann. Er selbst ist sehr überzeugt von seinem Können: „These scientific hands are fingering your pussy.“ Die so angesprochene Dame moniert allerdings den Widerspruch zwischen Aussage und Kadrierung der Szene: „It’s only one hand, what about the other hand?“

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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