Clive Barker’s Jericho

Jericho (Mercury Team/Codemasters 2007, PS3-Version)

„Jericho“ handelt von einem Geheimtrupp magisch begabter Söldner/Soldaten unter der Führung eines Priesters, die durch einen Riss in der Raumzeit quer durch die Menschheitsgeschichte gejagt werden, um das „Erstgeborene“, Gottes ersten, missratenen Versuch einer Schöpfung, daran zu hindern, auf die Welt zurück zu kehren und diese ins Chaos zu stürzen. In vier verschiedenen historischen Kapiteln (an einer Front des 2. Weltkrieges, vor Jerusalem während der Kreuzzüge im Mittelalter, in einer römischen Provinz im Jahre 100 nach Christus und bei den Sumerern vor 3000 Jahren) tritt man verschiedensten Dämonen und Endgegnern gegenüber. Die Story ist mehr als es nötig wäre überladen, was das Spielgeschehen aber insofern nicht beeinflusst, als dass man ihr nicht notwendig zu folgen braucht, um voranzukommen.

Die Erwartungen, die Vorab-Screenshots an die Grafik des Spiels evozierten, wurden nicht enttäuscht. In allen Kapiteln warten die ungewöhnlichsten, surrealsten Spielkulissen auf einen. Die Ausgestaltung ist bis ins kleinste Detail konsequent: Von den großen Architekturen im Mittelalter-Kapitel über die sumpfige Schwüle des Bades in der Römerzeit und das Rauch- und Feuerambiente im Zweiten Weltkrieg und bei den Sumerern. An blutigen und schleimigen Einfällen lässt es das Spiel ebenso nicht mangeln. Die Gegner sind oft grauenhaft entstellte Dämonenwesen, die teilweise selbst im Easy-Modus nur schwer zu besiegen sind. Die Boss-Gegner sind schon körperlich übermächtig und verfügen über ein äußerst ungewöhnliches Waffenarsenal: Der aus dem Römischen Reich etwa vergießt ätzendes verwestes Blut aus einer riesigen klaffenden Bauchwunde auf seine Angreifer.

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Das Spielprinzip ist gewöhnungsbedürftig: Man wechselt zwischen 7 verschiedenen Figuren, die jede über andere Waffen und Magie-Kräfte verfügen. Da in spezifischen Situationen jeweils eine bestimmte Waffe oder Magie benötigt wird, fügt das dem Spiel ein gewisses RPG-Element hinzu. Man hätte sich das aber sparen können – ja sogar müssen, denn:

Die Atmosphäre von „Jericho“, die durch das Ambiente und die Tatsache, dass Clive Barker dem Spiel seine Handschrift aufgedrückt hat, ja einiges an horriblen Erwartungen schürt (düster, blutig, grausam …), verliert genau dadurch, dass man im virtuellen Team spielt. Die Figuren können nämlich nie „einfach mal die Fresse halten“ (D. Nuhr). Ständig gibt es Funkfeuer mit obsoleten, redundanten und teenagerhaft-coolen Sprüchen. Das geht sogar soweit, dass Falschmeldungen nach beendeten Schlachten wie „Das war’s. Das waren alle!“ zunächst verwirren, bevor man lernt, sie als bloßes Rauschen abzutun. Abschalten kann man die Sprachausgabe leider nicht – man muss lernen, sie zu überhören. Am meisten leidet darunter dasjenige Element an „Jericho“, das man wohl als dessen Hauptcharakteristikum sehen würde: Der Horror. Jeder Grusel wird wortreich tot gequatscht, jede spannende und nervenzerfetzende Schlacht gerät zum Oneliner-Spektakel. Das Spiel verliert auf diese Weise fast jede Atmosphäre – da ist auch die beste Grafik und Gestaltung machtlos.

Müsste ich „Jericho“ für eine Zeitschrift bewerten, würde ich ihm daher 6 von 10 möglichen Punkten geben: 10 von 10 für die Grafik, 8 von 10 für den Soundtrack, 5 von 10 für das Gameplay, 5 von 10 für die Story und einen Punkt Abzug dafür, dass man nicht gemerkt hat, wie das Gequassel die Atmosphäre kaputt macht.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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