FFF 2007: Siebter Tag

The Hamiltons
An American Crime
Rise: Blood Hunter
WΔZ

Der heutige Podcast fand zu „The Hamiltons“ statt:

The Hamiltons (USA 2006, The Butcher Brothers)

Vampirhorror auf den Spuren von Katherine Bigelows „Near Dark“ und Andrew Parkinsons „Dead Creatures“. Der Film zeichnet den Weg eines Jugendlichen, der in einer Vampir-Familie aufwächst und nicht weiß, für welche Seite er sich entscheiden soll nach. Er dokumentiert dies mittels Videotagebuch, während seine Geschwister der Außenwelt entweder einen falschen Status Quo vorgaukeln, ihren Trieben freien Lauf lassen oder eingesperrt im Keller leben. „The Hamiltons“ steht sich mit etlichen seiner Inszenierungen selbst im Weg, ist überdeutlich, da wo Subtilität verlagt würde und ungenau dort, wo man genau hingeschaut haben müsste. Dennoch erreicht er ein gewisses Maß an Mitgefühl gerade wegen der radikalen Stimmungswechsel zwischen den Szenen in denen der jugendliche Protagonist seine Unzugehörigkeit dokumentiert und denen, in welchen die anderen den normalen Vampir-Alltag zu leben versuchen.

An American Crime (USA 2007, Tommy O’Haver)

Ein erschütternder Spielfilm auf der Basis eines in den 1960er Jahren stattgefundenen Verbrechens, bei dem ein kleines Mädchen von seiner Pflegemutter zu Tode gequält wurde. Wie schon „Out of the Blue“ entzieht sich auch dieser Film dem Sensationalismus, indem er die berichtende Handlung immer wieder unterbricht und durch Gerichtsszenen kommentiert. Dabei wird der Zuschauer, dessen Hass- und Rachegefühle sich angesichts der Hilflosigkeit des Kindes und der Grausamkeit seiner Pflegemutter (die freilich auch nur als das Opfer ihrer sozialen Umstände gezeigt wird) unweigerlich aufstauen, immer wieder „zurück in die Zivilisation“ geholt, in welcher auch solche Verbrechen einem juristischen Verstehensprozess unterzogen werden müssen. Geradezu großartig verfährt „An American Crime“ mit seiner Scheinauflösung, die aus der Wiedergabe der Ereignisse in gewissem Sinne erst einen richtigen Spielfilm werden lässt. Vor der schauspielerischen Leistung sowohl der Mutter (Catherine Keener) als auch der gequälten Sivlia (Ellen Page) muss man sich verneigen.

Rise: Blood Hunter (USA 2007, Sebastian Gutierrez)

Vampirfilm im Gefolge der „Blade“-Reihe, der kaum etwas Neues zu bieten hat. Dramaturgisch ungeschickt verfrachtet er 90 % seines Plots in die erste dreiviertel Stunde, um dann den Endkampf in der zweiten Hälfte des Films umso ausführlicher zu inszenieren – der dann allerdings überaus langweilig gerät, weil der Rhythmus radikal verlangsamt wird und zuvor weder die Figur der phallischen Vampirjägerin plausibel gestaltet wurde noch die des bösen Obervampirs auf irgend eine Weise bedrohlich wirkt. Es ist zu befürchten, dass der Film komplett um seine Hauptdarstellerin Lucy Liu herum komzipiert wurde und nur dann funktioniert, wenn man in der Lage ist, ihr irgend etwas abzugewinnen, was jenseits ihrer schauspielerischen „Fähigkeiten“ liegt.

WΔZ (UK/USA 2007, Tom Shankland)

Kein Serienmörder-, sondern vielmehr ein Rape-and-Revenge-Film, in dem eine von einer Gang vergewaltigte Verhaltensforscherin Rache nimmt, indem sie mit ihren Peinigen und deren liebsten Angehörigen ein Experiment anstellt: Sie fesselt diese auf gegenüberliegenden Stühlen und foltert den einen so lange, bis dieser bereit ist, sein Gegenüber mittels eines Stromstoßes zu töten. Damit verbindet sie einerseits die Art und Weise, wie sie selbst gefoltert wurden (erst nachdem sie die Vergewaltiger bat, ihre anwesende Mutter zu ermorden, ließen diese von ihr ab), andererseits versucht sie eine anthropologische Hypothese, an der sie und ihre Kollegen im Forschungsinstitut arbeiten, zu verifizieren, nach welcher es Altruismus weder genetisch noch kulturell gibt und dieser in Gefahrensituationen stets von Egoismus übertroffen wird. Dieser ziemlich nach „Saw“ anmutende moralphilosophische Background der Geschichte wird durch eine sehr interessante Detektionsgeschichte mit Mehrwert versehen: Die Leichen der Racheaktion werden nämlich mit Bestandteilen der Formel, die aus der Hypothese abgeleitet worden ist, versehen, sodass der Ermittlungsprozess mehr und mehr zum Lösen einer Gleichung wird. Schade nur, dass gerade dieser Aspekt dann später beim „Ergreifen“ der Täterin überhaupt keine Rolle mehr spielt.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
Dieser Beitrag wurde unter Festival-Tagung-Messe, Filmtagebuch, listen carefully veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.