Melkmaschinen

Sunshine Reggae auf Ibiza (D 1983, Franz Marischka) (DVD)

Als der deutsche Film nach dem Abebben der 70er-Jahre-(Sex)Klamotte nicht mehr so recht wusste, was eigentlich witzig ist und was nicht, war die Zeit für Darsteller wie Karl Dall, Mike Krüger, Helga Feddersen und Co. gekommen. In den 80ern rollte eine beispiellose Welle an Nonsens-Filmen über die Republik, deren Protagonisten die Finger nicht so recht vom Sexfilm lassen wollten, sich aber auch den neuen und alten Blödelhelden nicht zu entziehen wussten: Ob nun „Geld oder Leber“, „Dirndljagd am Kilimandscharo“ oder eben „Sunshine Reggae auf Ibiza“ – Die Zotigkeit fand keine Grenzen.


Das kann man entweder pikiert ablehnen oder es annehmen, wie es ist und tief in die Diskursformationen eintauchen. In Marischkas ungeheuerlichem „Sunshine Reggae auf Ibiza“ feiert so ziemlich jedes Klischee über alles seinen fröhlichen Urstand, werden reihenweise unbegabte Darsteller (Karl Dall sogar zweimal) vor die Kamera gezerrt und Frauen mit einer Konsequenz zur Barbusigkeit verdammt, dass man sich um weitere 10 Jahre in die Ateliers Guter Ottos zurückversetzt glaubt. Und dennoch reiht sich um das dünne Geschichtchen vom Ostfriesen-Bauern, der auf Ibiza nach seinem angebeteten Starlet sucht, eine recht interessante Formation von Wunschbildern und Wirklichkeitsvorstellungen, die einiges über die Mentalitätsgeschichte der bundesdeutschen 1980er Jahre zu erzählen hat.

Allein auf welcher Ebene sich der Konflikt zwischen Körper und Geist abspielt, ist erstaunlich. Der Film spürt förmlich, dass beides in einer Komödie nicht unter einen Hut zu bringen ist und legt den Schalter von „Zotigkeit“ zu „Emotionskitsch“ beständig um. Das hat zur Folge, das zwischen den ganzen „natürlich Fickenden“ die „kultürlich Liebenden“ wie Stolpersteine des Anstandes hervorragen. Dieser eine derartige Komödie doch recht störende (Un-)Zustand kann nur durch mehrfache „Heim ins Reich“-Praktiken beendet werden: Nachdem der Frauenhasser sich in die züchtigste der anwesenden Damen verliebt hat und beide erkennen, dass ihr Dasein bislang auf einem neurotischen Irrtum beruhte, ändert sich sein und ihr Image auch im Film und sie schließen sich den Fickenden an; und als der Karl-Dall-Bauer aus Ostfriesland bemerkt, dass er zu alt und zu hässlich für diese promiske Strandgesellschaft ist, zieht es ihn zurück in seine asexuelle Heimat, wo Helga Feddersen, die es ebenfalls wie aus versehen auf die Lustinsel verschlagen hatte, bereits auf ihn wartet.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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